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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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»Ja, vielleicht.«
    »Ich habe mich dir gegenüber furchtbar verhalten. Vor allem auch Lucy gegenüber. Einerseits habe ich ihr gesagt, wie sehr ich sie liebe, aber ich habe ihr alle Sicherheit geraubt. Statt Essen für sie zu kaufen, habe ich gespielt und getrunken. Das habe ich erst erkannt, nachdem du mich verlassen hattest. Jetzt aber habe ich mich geändert und bin mit Gottes Hilfe seit sechs Monaten nüchtern und schuldenfrei. So soll es auch bleiben.«
    »Und jetzt willst du uns zurück?«
    Henry blinzelte und wandte sich rasch ab. »Ich … nein, Beattie. Nicht euch beide.«
    »Oh.« Sie verschluckte ihre Verlegenheit.
    »Ich … nun ja … Molly ist gekommen, meine Frau.« Er lächelte. »Molly hat mich auf den rechten Weg geführt und wird das auch weiterhin tun. Ich verdanke ihr mein Leben.«
    Und obwohl ihre Liebe zu ihm seit langem erkaltet war, drang ein Stich der Eifersucht in ihr Herz. Sie liebte ihn nicht mehr; sie wollte ihn nicht mehr. Dennoch hatte sie gehofft, dass er sie vermisst und sein Tun bedauert hätte. »Nun, du kannst Lucy nicht haben. Sie ist meine Tochter, ich habe ihr ganzes Leben lang für sie gesorgt, auch als du es nicht konntest. Du kannst nicht einfach hier auftauchen und erwarten, dass ich sie dir gebe.«
    »Natürlich erwarte ich nicht, dass du sie aufgibst. Ich möchte dich fragen, ob du dir vorstellen kannst, regelmäßige Besuche zu erlauben. Vielleicht eine Woche im Monat.« Er sah, dass sie sich schon weigern wollte, und sprach rasch weiter. »Wir würden sie abholen und zurückbringen, uns liebevoll um sie kümmern …« Ihm fehlten die Worte. »Ich liebe sie so sehr, Beattie, das kannst du dir gar nicht vorstellen.«
    Die Liebe zwischen Henry und Lucy, die sie in den ersten Jahren so gequält hatte, war wieder da, und sie musste damit zurechtkommen. Wenn sie nein sagte, würde Lucy toben, weglaufen wollen, monatelang nicht mit ihr sprechen. Sie verfluchte Henry und Margaret, die sich diesen Plan zurechtgelegt hatten. Sie wussten genau, dass sie nicht ablehnen konnte, nachdem Lucy ihren Vater einmal gesehen hatte.
    »Du hast das völlig falsch angefangen«, sagte Beattie mit Tränen der Hilflosigkeit in den Augen. »Du hättest Lucy nicht ohne mein Wissen besuchen dürfen.«
    »Es tut mir leid, aber das war Margarets Idee. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, dass du in schlechte Gesellschaft geraten bist, und …«
    »Ich arbeite, weil ich muss. Dafür schäme ich mich nicht. Ich arbeite, um meine Tochter zu ernähren und dafür zu sorgen, dass sie neue Schuhe bekommt. Mein Arbeitgeber mag kein anständiger Mann sein, aber ich leiste anständige Arbeit, und wenn ich sie nicht hätte, wäre ich eine schlechte Mutter: mit Moral, aber ohne Geld. Kinder können Moral nicht essen.«
    Henry wirkte einsichtig und hielt seine Antwort zurück. Stattdessen nickte er. »Ich verstehe.«
    »Wirst du dir einen Anwalt nehmen? Das Geld deiner reichen Frau dafür ausgeben, mir Lucy wegzunehmen, wenn ich nein sage?«
    »Ich hoffe, dass es nicht so weit kommen muss, Beattie. Du bist eine vernünftige Frau, und ich habe eine vernünftige Bitte. Du sprichst von Dingen, die Lucy braucht, und ich bin mir sicher, sie braucht einen Vater.«
    Sie wollte schon erwidern, sie brauche aber keine neue Mutter, doch das hätte eifersüchtig geklungen. Zugegeben, sie war eifersüchtig. Die Vorstellung, dass Molly sich jeden Monat eine Woche lang um ihre Tochter kümmern würde, bohrte sich wie ein Messer in ihr Herz. Sie holte tief Luft, um klar zu denken. »Es ist ein Schock.«
    »Ich kann dir Bedenkzeit geben. Einen Tag? Eine Woche?«
    »Zuerst muss ich mit Molly sprechen.«
    »Ich bringe sie mit, wenn wir Lucy das erste Mal abholen. Sie wird dir gefallen.«
    »Sie wird mich hassen.«
    Henry schüttelte den Kopf. »Sie ist demütig und besitzt die Kraft zur Vergebung. Sie ist eine wirklich bemerkenswerte Frau. Und sie sehnt sich danach, mein kleines Mädchen kennenzulernen.«
    Beattie stützte den Kopf in die Hände. Der Bach sang sein Lied, der Wind fuhr durch die Zweige der Eukalyptusbäume. Eine Krähe krächzte tief und einsam. Ihr Herz hätte am liebsten »Nein!« gerufen, doch ihr Verstand sagte etwas anderes. Welches Mädchen wäre nicht gern ab und an mit seinem geliebten Daddy zusammen, vor allem mit einem guten, christlichen Daddy, der ein glänzendes Auto und eine Frau mit rosigen Wangen hatte, die immer zu Hause war?
    Sie hob den Kopf. »Ich brauche keine Bedenkzeit.« Schon stauten sich

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