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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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entschuldigen …«
    »Nein, ich werde dich nicht entschuldigen. Setz dich. Ich werde nicht mehr nach deiner anrüchigen Vergangenheit fragen.« Er zeigte mit der Gabel auf sie. »Na los, setz dich.«
    Sie gehorchte.
    Er wandte sich wieder seiner Mahlzeit zu. »Gut, suchen wir uns ein Gesprächsthema, das dich nicht so aufregt. Du wohnst also bei Margaret Day?«
    »Ja, das stimmt.«
    »Ist sie wirklich so nervtötend und lästig, wie sie auf den ersten Blick erscheint?«
    Beattie musste ein Lachen unterdrücken, und Raphael lächelte begierig. »Aha, es stimmt also. Ich dachte, du rückst nie damit heraus. Bist du auch so fromm wie sie?«
    »Margaret ist ein gutes Vorbild, Sir.« Sie musste ihn irgendwie abschrecken. »Ich bin eine gute Christin.«
    »Von dem unehelichen Kind einmal abgesehen.«
    »Ich tue mein Bestes.«
    »Was für Margaret womöglich nicht gut genug ist. Ich sage dir etwas.« Er schob die halbgegessene Mahlzeit beiseite und wischte sich den Mund an der Serviette ab. »Ich habe dich in den letzten Monaten beobachtet und finde dich sehr hübsch. Es würde mir gefallen, wenn wir nach oben gingen und ein bisschen Spaß im Bett hätten. Aber ich befürchte, du wirst nein sagen.«
    Beattie erstarrte.
    »Also werde ich dich nicht so direkt fragen. Mein Anwalt Leo Sampson hat mir sehr deutlich erklärt, dass ich dir kein Geld anbieten oder mit der Kündigung drohen darf. Normalerweise verlasse ich mich auf seinen Rat. Nun befinde ich mich jedoch in einem gewissen Dilemma. Wie soll ich dich bekommen? Ich will dich nämlich haben.«
    »Sie können mich nicht haben«, erwiderte sie heftig. »Das sollten Sie vergessen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht. Ich habe es versucht. Du bist nicht wie die anderen. Sie fallen bei der kleinsten Aufforderung um.«
    Beattie stand auf und war schon auf halbem Weg zur Tür, als er sie am Handgelenk packte.
    »Lauf nicht weg, Mädchen.« Seine Pupillen waren Stecknadelköpfe in den hellblauen Augen.
    »Ich laufe nicht weg. Ich gehe. Zwanzig Shilling pro Woche sind nicht genug, um mich beleidigen zu lassen. Lassen Sie mich jetzt gehen, oder ich erzähle Mr. Sampson, was Sie gesagt haben.« Ihr Herz klopfte, solche Prinzipien konnte sie sich eigentlich nicht leisten. Sie brauchte die Stelle.
    Raphael zog die Augenbrauen zusammen, so dass er wie ein wütendes Kind aussah. Doch er ließ sie gehen. Sie eilte zurück in die Küche und blieb erst stehen, als sie den warmen Herd erreicht hatte. Sie stützte den Kopf in die Hände, weinte aber nicht. Sie konnte sich nicht erlauben, noch einmal mit ihm allein zu sein. Sie würde Alice anflehen, sie nicht erneut in diese Lage zu bringen.
    Schließlich hatte sie sich wieder in der Gewalt, beschäftigte sich mit kleinen Aufgaben und horchte auf seine Schritte, doch er kam nicht. Um zehn Uhr öffnete sie mit zitternder Hand die Tür zum Wohnzimmer. Er war weg. Sie räumte die Teller ab und kehrte rasch in die Küche zurück. Jetzt konnte sie nur noch bis Mitternacht warten, wenn Mikhail mit verschlafenen Augen auftauchen würde, um sie nach Hause zu bringen. Beattie legte den Kopf auf den Tisch. Sie war zu müde zum Arbeiten und zu misstrauisch, um zu schlafen.
     
    Seit kurzem verhielt sich Margaret Beattie gegenüber seltsam: Sie sah ihr nicht in die Augen, begann keine Gespräche mehr, ging nicht mehr mit ihr einkaufen. Mit Lucy hingegen war sie immer noch vertraut, und manchmal war Beattie eifersüchtig, weil sich die beiden so gut verstanden. Aber sie hatte damit gerechnet, dass ihr Verhältnis abkühlen würde, da Margaret sehr deutlich gesagt hatte, dass sie ihre Arbeit nicht guthieß. Also dachte sie nicht weiter darüber nach.
    Eines Morgens jedoch schien Margaret erregter als sonst.
    Es war sonntags nach der Kirche, und Margaret wollte sich nicht hinsetzen, um zu nähen oder Lucy vorzulesen. Stattdessen lief sie zwischen Wohnzimmer und Veranda hin und her und summte leise vor sich hin.
    »Erwartest du jemanden?«, erkundigte sich Beattie.
    »Vielleicht«, erwiderte Margaret mit einem Blick auf Lucy. Das Mädchen schaute sie lächelnd an, und Beattie beschlich der Verdacht, dass die beiden ihr etwas verheimlichten. Ihr ganzer Körper kribbelte. Allerdings war sie müde, weil es gestern Abend spät geworden war, und ließ sich leicht ablenken. Sie saß gerade mit Lucy am Tisch und legte ein Puzzle, bei dem sie die blauen Teile suchen musste.
    Da hörten sie ein Auto vor der Tür. Beattie stand auf. »Ist das

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