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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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Beattie hätte über diesen Irrtum lachen können, doch an dieser Frau war nichts, das zum Spott einlud. Sie hatte freundliche braune Augen und ein schüchternes Lächeln.
    »Hallo, freut mich sehr, Sie kennenzulernen«, sagte Molly mit einem melodischen irischen Akzent.
    Lucy blickte sie argwöhnisch an und schwieg. Margaret begrüßte sie überschwenglich, doch Beattie wusste nicht, wie sie sich einer Frau gegenüber benehmen sollte, der sie den Mann gestohlen hatte. Also lächelte sie verhalten und eilte ins Haus.
    Beattie servierte den Tee, während Margaret den Gästen Hut und Mantel abnahm und sie ins Esszimmer führte. Die ganze Zeit hatte sie sich Sorgen um Lucy gemacht, ob Molly auch nett zu ihr sein oder ihre Abneigung gegen Beattie an ihr auslassen würde. Nun aber richtete sich die Sorge auf sie selbst. Wenn Lucy Molly liebgewänne? Wenn sie sie ihrer eigenen Mutter vorzöge?
    Sie trug das Teetablett zum Tisch, und Margaret holte die gerösteten Brötchen.
    »Lucy, wir haben dir ein hübsches Zimmer eingerichtet«, sagte Molly scheu, während Tee eingegossen und Butter geschmolzen wurde. »Mit einem Spielzeugpony, auf dem du reiten kannst.«
    Lucy machte große Augen. »Ein Spielzeugpony? Wie groß ist es?«
    Molly deutete es mit der Hand an. »Du kannst darauf schaukeln.«
    Lucy sah Beattie ehrfürchtig an. »Bist du böse, wenn du nicht auf dem Pony reiten kannst, Mummy?«
    Beattie schüttelte lachend den Kopf. »Nein. Vielleicht kannst du mir ein Bild davon malen und es mir zeigen, wenn du zurückkommst.« Bei diesen Worten wurde ihre Kehle eng, und sie trank rasch einen Schluck von ihrem heißen, starken Tee.
    Henry spürte ihr Unbehagen und kehrte zum Smalltalk zurück. Beattie war in ihre eigenen Gedanken vertieft und beteiligte sich nicht am Gespräch. Ihr Instinkt riet ihr, Lucy bei sich zu behalten, so viel Trost aus ihrem kleinen Körper zu schöpfen, wie es in der kurzen Zeit, die ihnen blieb, möglich war, doch Lucy war schon auf Henrys Schoß geklettert und rührte sich nicht vom Fleck. Als Margaret aufstand, um den Tisch abzuräumen, erhob sich auch Beattie.
    Molly fasste sie sanft am Handgelenk und sah sie mit ihren dunklen Augen an. »Dürfte ich allein mit Ihnen sprechen?«
    »Ich muss wirklich helfen …«
    »Es geht schon«, sagte Margaret. »Ab mit dir.«
    Beattie schaute sich um. »Wir können ins Wohnzimmer gehen.«
    Molly nickte. Die Frauen schlossen die Tür hinter sich. Gewöhnlich fiel die Morgensonne wunderbar durch die großen Fenster, doch an diesem Tag blickte man nur auf die Hecke, von deren Blättern der Regen tropfte. Beattie kniete sich vor den Kamin, um ein Feuer anzuzünden. Als sie sich umdrehte, hatte Molly auf dem Sofa gegenüber Platz genommen.
    Beattie setzte sich neben sie. »Woran denken Sie gerade?« Eigentlich wollte sie es gar nicht wissen, denn sie rechnete mit Vorwürfen.
    Molly aber lächelte freundlich. »Sie haben Angst.«
    »Natürlich.«
    »Ich hasse Sie nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil das alles vor langer Zeit geschehen ist und zum Teil auch meine Schuld war. Ich war keine gute Ehefrau. Ich habe Henrys … Bedürfnisse nicht erfüllt.«
    Beattie schwieg.
    »Jedenfalls hat sich alles zum Guten gewendet. Henry und ich sind jetzt sehr glücklich. Ich selbst kann keine Kinder haben. Darum verspreche ich Ihnen, dass Lucy mir sehr wichtig ist und ich freundlich zu ihr sein und sie wie meine eigene Tochter behandeln werde.«
    »Sie ist aber nicht Ihre Tochter.«
    Molly sah sie verblüfft an. »Natürlich nicht. Aber sie ist Henrys Tochter. Und ich bin seine Frau.« Sie fasste sich. »Ich will Sie doch nur beruhigen.«
    Beattie seufzte. »Ich weiß, es tut mir leid. Aber das ist alles nicht einfach für mich. Seit ihrer Geburt habe ich keine Nacht ohne Lucy verbracht. Und ich muss mich erst mit der Tatsache abfinden, dass Henry nüchtern und finanziell abgesichert ist.«
    »Ich kann bezeugen, dass es so ist, und ich schwöre, ich werde dafür sorgen, dass es so bleibt. Als er mich verließ, habe ich gelernt, was ich tun muss, um ihn zu halten. Da kann ich Sie beruhigen.«
    In diesem Augenblick platzte Lucy herein, unter einem Arm die Puppe Henrietta, unter dem anderen ein Baumwollnachthemd. »Ich bin fertig. Es ist Zeit zu fahren, Mummy.«
    Henry stand lächelnd hinter ihr. »Nicht so schnell, Kleines.«
    »Ich will mein Pony sehen«, erwiderte sie sachlich.
    »Ich leihe dir einen Koffer für die Sachen«, sagte Margaret und nahm sie ihr ab. »Ich packe

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