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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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Mutter sagte. Sie öffnete die Tür ein bisschen weiter und beugte sich hinaus. Das Scharnier quietschte, worauf die Stimmen sofort verstummten. Schritte näherten sich.
    Lucy rannte zurück ins Bett und kniff die Augen zu.
    »Lucy?« Es war Margaret.
    Sie machte die Augen nicht auf.
    Margaret setzte sich aufs Bett. »Ich weiß, dass du wach bist. Du hast die Tür offen gelassen.«
    Sie öffnete die Augen. »Tut mir leid.«
    »Schon gut. Am besten kommst du mit ins Wohnzimmer. Jemand möchte dich sehen.«
    »Mich sehen? Weiß Mummy das? Ist sie hier?«
    »Nein, deine Mutter ist bei der Arbeit, und sie sollte das am besten auch nicht erfahren. Kannst du ein Geheimnis für dich behalten? Nur eine Zeitlang? Wir versuchen gerade, etwas vorzubereiten, und es soll eine schöne Überraschung für Mummy werden. Einverstanden?«
    Lucy war so neugierig, dass sie zustimmte. Sie ergriff Margarets Hand und stieg wieder aus dem Bett, ging mit ihr die Treppe hinunter und durch den Flur. Margaret schob sie sanft ins Wohnzimmer, wo ein gutaussehender Herr wartete.
    Aus dem Piksen wurde ein Summen. Die Gesichtszüge des Herrn verschwammen und verwandelten sich in eine Gestalt, die gleichzeitig fremd und schmerzhaft vertraut war.
    »Lucy«, sagte er atemlos.
    Sie stürzte auf ihn zu. »Daddy!«

[home]
    Dreizehn
    E s kam selten vor, dass Raphael an Beatties Abenden keine Gäste hatte. Bei solchen Gelegenheiten trug Alice ihm das Essen auf, und Beattie blieb in der Küche, wo sie putzte, Kleidung ausbesserte oder die Lebensmittelbestellung für die kommende Woche überprüfte.
    An einem Donnerstagabend, zwei Monate nachdem sie die Abendschicht übernommen hatte, stellte sie bei ihrer Ankunft fest, dass Alice den Abend freigenommen hatte. Sie wollte ihre Schwester in einer zehn Meilen entfernten Stadt besuchen und hatte Beattie Anweisungen hinterlassen, was sie für Mr. Blanchard, der allein essen würde, kochen und wann sie es servieren sollte. Beattie verspürte ein wachsendes Unbehagen, während sie das Essen zubereitete. Zum ersten Mal wäre sie mit ihrem Arbeitgeber allein, und obwohl er bisher Distanz gewahrt hatte, war das Begehren in seinen Augen unübersehbar. Sie spielte mit dem Gedanken, zum Schererhäuschen zu gehen und Mikhail um Schutz zu bitten, doch er würde sie kaum verstehen. Außerdem würde es Raphael gewiss erzürnen.
    Sie holte unter der Sitzbank ein Tablett hervor und stellte die Teller darauf. Gefüllte Hähnchenbrust mit Speck und Sahne, junge Karotten in Honig, eine Kanne Tee. Sie merkte, dass sie zu langsam arbeitete, und beeilte sich. Wollte es hinter sich bringen. Schnell rein und wieder hinaus.
    Wenn Raphael allein aß, setzte er sich an den runden Holztisch im Wohnzimmer, an dem gewöhnlich Karten gespielt wurde. Sie klopfte leise an und trat ein. Er stand an der Tür zur Terrasse und blickte in die Dunkelheit. Ohne lärmende Männer wirkte das Wohnzimmer ungeheuer groß. In den Vorhängen hing noch der Zigarettendunst.
    Sie stellte das Tablett leise auf den Tisch und hoffte, unbemerkt den Raum verlassen zu können. Doch er hatte sie schon wahrgenommen, obwohl er sich weder umdrehte noch zu ihr sah.
    »Einsamer Abend, Beattie.«
    »Ja, Sir. Sehr still.«
    Er drehte sich um und lächelte. »Nenn mich Raph.«
    Beattie wusste nur zu gut, dass sogar Alice ihn Mr. Blanchard nannte. »Das wäre mir nicht recht, Sir.«
    »Wäre es dir denn recht, dich zu mir zu setzen, während ich esse?«
    »Nein, Sir.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich bezahle dich. Eine kleine Unannehmlichkeit wird dir nicht schaden. Hinsetzen.«
    Beattie zögerte. Sie hatte keine andere Wahl, und so nahm sie ihm gegenüber Platz. Er begann geräuschvoll zu essen, den Kopf tief über den Teller gebeugt. Sie sah sich im Zimmer um, rückte im Geiste das Gemälde über dem Kamin zurecht und bewegte unter dem Tisch unruhig die Knie.
    »So«, sagte er mit vollem Mund, »aus welcher Ecke Schottlands kommst du?«
    »Ich bin Engländerin, Sir. Meine Mutter war Schottin. Ich habe eine Weile in Glasgow gelebt.«
    »Alice sagte mir, du hättest ein kleines Mädchen. Und keinen Ehemann?«
    »Nein, Sir.«
    »Wer war denn der Vater?«
    Beattie schwieg, fürchtete sich aber vor seiner Reaktion.
    Er blickte auf und leckte sich die Lippen. »Na los, erzähle es mir. Sicher ein ganz toller, schneidiger Kerl. Hatte seinen Spaß mit dir und hat dich danach sitzenlassen.«
    Beattie erhob sich. So etwas durfte er sich nicht herausnehmen. »Wenn Sie mich

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