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Der Windsänger

Titel: Der Windsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Nicholson
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Untersee hinunterstiegen. Seitdem sind sie nicht wieder aufgetaucht. Ich fürchte, es besteht nur wenig Hoffnung, dass sie noch am Leben sind.« 
    Er musterte Hanno beim Sprechen scharf. Hanno bemühte sich keinerlei Regung zu zeigen, doch in ihm stieg eine leise Hoffnung auf. 
    Es gab Tageslicht da unten, sagte er zu sich selbst. Kess hat es gesehen. Sie haben sich auf den Weg gemacht. 
    Plötzlich war er von unbändigem Stolz auf seine geliebten Kinder erfüllt. Sie hatten es gewagt, sich auf eine so gefährliche Reise zu begeben. Gleich darauf überlief ihn ein kalter Angstschauder. 
    Lass sie heil zurückkommen, flehte er, als gäbe es da draußen jemanden oder etwas, den oder das er darum bitten könnte. Sie sind noch so jung. Pass auf sie auf! 
    »Das hast du nur dir selbst zuzuschreiben, mein Freund.« 
    »Ja«, antwortete Hanno. »Ich sehe es jetzt ein.« 
    Der Oberste Prüfer hatte ihm diese Nachricht persönlich überbracht, weil er ihn bestrafen wollte. Hanno verstand das nur zu gut. Er ließ den Kopf hängen und bemühte sich reumütig auszusehen, um keinen Verdacht zu erregen. 
    »Ein Kind bleibt dir noch. Bis jetzt war es noch zu klein, um von deinem schlechten Beispiel verdorben zu werden. Ich rate dir dich von nun an mehr anzustrengen. Möge dich diese bedauerliche Angelegenheit die Bedeutung von Disziplin, echtem Ehrgeiz und schlichter harter Arbeit lehren.« 
    »Harter Arbeit«, echote Direktor Pillish ehrfurchtsvoll. 
    »Ich werde dafür sorgen, dass deine Frau informiert wird.« 
    »Sie wird sehr traurig sein«, sagte Hanno leise. »Darf ich es ihr vielleicht selbst mitteilen?« 
    Der Oberste Prüfer sah den Direktor an. »Ich denke, unter den gegebenen Umständen können wir ein kurzes Gespräch erlauben«, antwortete er. 
    Ira Hath trug gedecktes Grau, als sie in das Besuchszimmer der Internatslehranstalt geführt wurde. Hanno erwartete sie dort, ebenfalls in Grau. Direktor Pillish beobachtete das Treffen pflichtgemäß durch eine Glasscheibe. 
    Zufrieden bemerkte er, dass sich das trauernde Paar immer wieder umarmte und heftig schluchzte. Zum Glück konnte er nicht hören, was sie zueinander sagten, denn das hätte ihm überhaupt nicht gefallen. Da Hanno und Ira allen Grund hatten zu glauben, dass die Zwillinge entkommen waren, hatten sie neuen Mut geschöpft. Bowman und Kestrel riskierten alles, um die böse Macht zu zerstören, die ihr Leben beherrschte. Sie konnten nichts Geringeres tun. 
    »Ich werde mich wehren«, sagte Hanno. 
    »Ich auch«, erwiderte seine Frau. »Und ich weiß auch schon, wie.« 

14 Die Rückkehr der alten Kinder 
    Bowman und Kestrel erwachten und stellten fest, dass alle Schlammbabys verschwunden waren und Mumpo putzmunter und durch ein üppiges Frühstück gestärkt auf sie wartete. Eine Gruppe von Schlammmännern holte sie ab, um sie aus dem Untersee hinauszugeleiten. Unter ihnen war auch Willum, der sehr grau und zerknirscht aussah. 
    »Harte Arbeit, die Ernte«, murmelte er vor sich hin. »Macht einen ganz fertig.« 
    »Wir gehen auf ein Abenteuer«, verkündete Mumpo. »Kess ist meine Freundin.« 
    Die Sonne strahlte bereits durch die Löcher im Dach herab, daher beeilten sich die Zwillinge beim Essen und verabschiedeten sich dann. Königin Num tätschelte sie und machte ein unerwartet betrübtes Gesicht, als sie ihnen die prallen Nussstrümpfe als Proviant mit auf den Weg gab. 
    »Hier sind zwei Strümpfe für jeden von euch. Mehr könnt ihr sicher nicht tragen. Passt gut auf euch auf, kleine Schmächtis. Die Welt da oben ist trocken und grausam.« 
    Sie banden die schweren Nussstrümpfe zu Paaren zusammen und hängten sie sich um den Hals. Die baumelnden Schlammnüsse stießen ihnen beim Gehen gegen die Brust und den Bauch, doch sie gewöhnten sich schon bald daran und fanden es beruhigend. 
    Zwanzig Männer begleiteten sie auf ihrem Weg. Doch nach und nach stießen weitere Schlammmenschen zu ihnen, bis ihnen schließlich über hundert schwingenden Schrittes folgten. 
    »Wir sind die drei Freunde, wir sind die drei Freunde«, sang Mumpo, bis Kestrel ihm sagte, er solle den Mund halten. 
    Fast unmerklich stieg der Boden an. Der Schlamm zu ihren Füßen wurde härter, je näher sie dem Ausgang der großen Salzhöhle kamen, in der der Untersee lag. Nach einer Weile begannen sie eine kühle Brise auf den Gesichtern zu spüren und das silberne Gestein des Höhlendaches funkelte immer stärker im Sonnenlicht. 
    Zuerst nahmen sie den

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