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Der Windsänger

Titel: Der Windsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Nicholson
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Höhlenausgang nur als strahlenden, grellen Streifen in der Ferne wahr. Doch als sie näher herankamen und über feuchten, aber festen Sand wanderten, erkannten sie, dass die Höhle enger und niedriger wurde und in eine knapp einen Kilometer breite Öffnung mündete, die nicht höher war als ein Baum. Draußen vor der Höhle war eine weite, ebene Sandwüste unter einem tiefblauen Himmel zu erkennen. 
    Als die Marschkolonne schließlich die Stelle erreichte, an der Sonnenlicht direkt auf die harte Erde fiel, blieb sie davor im sicheren Schatten stehen. Die Kinder begriffen, dass sie nun allein weitergehen sollten. 
    »Danke«, sagten sie. »Danke, dass ihr euch um uns gekümmert habt.« 
    »Wir werden zum Abschied für euch singen«, antwortete Willum. 
    Die Kinder machten sich auf den Weg und die Schlammmenschen hoben zum Gruß die Hände und begannen zu singen. Es war ein liebliches Abschiedslied, eine sanft schwingende Melodie ohne Worte. 
    »Das ist ihre Liebe«, sagte Kestrel und dachte an die Worte der Alten Königin. »Sie soll uns begleiten.« 
    Die drei wanderten aus der Salzhöhle in die staubige Wüste hinaus. Der Gesang der Schlammmenschen folgte ihnen und wurde immer leiser, bis sie ihn schließlich gar nicht mehr hören konnten und wussten, dass sie nun allein waren. 
    Die Ebene, die sie nun durchquerten, schien endlos zu sein. Nur im Norden konnten sie in weiter Ferne die blasse, graue Bergkette erkennen. Doch als die Sonne höher stieg, ließ der Hitzedunst, der von der ausgedörrten Erde aufstieg, den Horizont mit dem Himmel verschmelzen und schloss die Kinder in einer konturlosen schimmernden Landschaft ein, in der sie die einzigen Lebewesen waren. Eine Zeit lang konnten sie hinter sich noch die lang gestreckte, dunkle Höhlenöffnung sehen, aus der sie gekommen waren. Doch dann verschwand auch sie in der Ferne im Staub und sie hatten überhaupt keine Orientierung mehr. 
    Sie wanderten in – so nahmen sie zumindest an – einer geraden Linie nach Norden und hofften irgendwann auf die höher gelegene Straße zu stoßen, die »Großer Weg« genannt wurde. Der Wind frischte auf, wirbelte Sand auf und ließ die Erde erzittern. Bowman und Kestrel schwiegen, doch einer spürte die Angst des anderen. Nur Mumpo marschierte völlig sorglos hinter Kestrel her, trat in ihre Fußstapfen und rief: »Ich bin wie du, Kess! Wir sind gleich!« 
    Der Wind wurde immer stärker, trieb immer mehr Sand vor sich her und trübte den blauen Himmel. Das Gehen wurde beschwerlicher, weil ihnen der Sand im Gesicht brannte und sie sich schützen mussten. Mitten in der sandigen Luft vor ihnen ragte plötzlich ein niedriger, viereckiger Kasten auf, der aussah wie eine Hütte ohne Dach. Sie hielten darauf zu, um dort Schutz vor dem Wind zu suchen. 
    Aus der Nähe erkannten sie, dass es eine Art Wagen war, der auf der Seite lag. Die Achsen waren gebrochen und die Räder halb verschüttet. Auf der Windseite hatte sich Sand angesammelt, doch dahinter konnten sie sich an eine windgeschützte Stelle kauern. Hier nahmen sie ihre Nussstrümpfe ab und gönnten sich ein dringend benötigtes Mittagessen aus gerösteten Schlammnüssen. 
    Der rauchige Geschmack erinnerte sie an die Ernte und die fröhlichen Gesichter der Schlammmenschen und sie wünschten sich in die gemütlichen kleinen Höhlen des Untersees zurück. Der Wind wehte noch immer so stark, dass es keinen Sinn hatte weiterzugehen. Also holte Kestrel die Karte heraus und studierte sie mit Bowman. 
    In der Wüste gab es nichts, woran man sich orientieren konnte – nur der Stand der Sonne am Himmel gab an, wo Norden war, und vielleicht noch die fernen Berge. Aber irgendwie mussten sie den Großen Weg finden – oder das, was davon übrig war. 
    »Die Alte Königin hat gesagt, es gebe dort Riesen.« 
    »Das war vor langer Zeit. Heute gibt es keine Riesen mehr.« 
    »Am besten gehen wir einfach nach Norden weiter. Sobald der Sturm vorbei ist.« Kestrel blickte von der Karte auf und merkte, dass Mumpo sie grinsend beobachtete. »Weshalb freust du dich denn so, Mumpo?« 
    »Nur so.« 
    Dann fiel ihr Blick auf seine beiden Nussstrümpfe, die leer vor ihm lagen. »Ich glaub es einfach nicht! Hast du sie alle aufgegessen?« 
    »Fast alle«, gestand Mumpo. 
    »Alle! Es ist keine Einzige übrig!« 
    Mumpo hob die leeren Nussstrümpfe auf und schaute sie überrascht an. »Keine mehr da«, stellte er fest, als hätte sie ihm ein Fremder weggenommen. 
    »Du riesengroßer

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