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Der Windsänger

Titel: Der Windsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Nicholson
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weiter. »Es gibt nur diese eine Brücke über die Schlucht. Über den – wie hieß es noch gleich? Ach, verflixt, ich hasse das Altwerden!« 
    »Riss-im-Land«, half Kestrel. 
    »Genau, so heißt es! Woher weißt du das?« 
    »Mein Vater kann die alte Manth-Schrift lesen.« 
    »Wirklich? Das können heutzutage nicht mehr viele. Er muss noch älter sein als ich. Riss-im-Land, hier, das ist er. Ihr müsst dem Großen Weg folgen, weil er zu der einzigen Brücke führt…« Sie verstummte. 
    »Du bist müde, meine Liebe«, sagte Königin Num. »Du solltest dich etwas ausruhen.« 
    »Ich habe schon bald genug Zeit zum Ausruhen«, gab die Alte Königin mürrisch zurück. 
    »Und was kommt dann?«, wollte Bowman wissen. 
    »Dann kommt der Berg… und das Feuer… Da ist der, den wir nicht beim Namen nennen… Da geht man ins Feuer, aber kommt nicht wieder heraus…« 
    »Warum nicht? Was macht es mit uns?« 
    »Was macht es mit der ganzen Welt, kleine Schmächtis? Es stiehlt eure liebevollen Herzen.« 
    »Wir haben keine andere Wahl«, entgegnete Kestrel leise. »Wir müssen dafür sorgen, dass der Windsänger wieder singt, sonst wird unsere Stadt niemals von der Kälte befreit werden.« 
    Die Alte Königin öffnete die Augen und blinzelte sie an. »Sie wird niemals von der Kälte befreit werden… Da hast du allerdings Recht. Nun, vielleicht soll es so sein… Ihr bringt die Schmächtis am besten auf den Weg zum Oberland, Num. Helft ihnen, so gut ihr könnt. Unsere Liebe soll sie begleiten. Hörst du?« 
    »Ja, meine Liebe.« 
    Die Stimme der Alten Königin senkte sich zu einem erschöpften Murmeln. »Was geschehen muss, muss geschehen«, sagte sie. Und dann fiel sie in einen leichten Schlaf voller unruhiger Träume. 
    Königin Num gab den Besuchern ein Zeichen zu gehen und führte sie in einen anderen Teil des Palastes, wo sie ein spätes Abendessen erwartete. 
    »Heute Abend können wir nichts mehr tun«, sagte die Königin auf ihre vernünftige Art. 
    Sie zeigte ihnen einen Platz, wo sie sich nach dem Essen schlafen legen konnten. Sie selbst wollte die Nacht in einem Sessel verbringen und die schlafenden Babys hüten. 
    »Ich schlafe nie zur Erntezeit«, erklärte sie. »Ich sitze einfach nur da und passe bis zum Morgen auf. Es tut meinem Herzen gut, die schlafenden Babys zu betrachten.« 
    Bevor sie sich hinlegten, knieten sich die Zwillinge auf den mit Teppichen bedeckten Boden zu einen kleinem Wunschkreis. Zwar kam ihnen das ohne die ausgebreiteten Arme ihrer Eltern und ohne den heißen Atem ihres Schwesterchens im Gesicht falsch und trist vor, aber es war besser als gar nichts und erinnerte sie an zu Hause. 
    Kestrel legte die Stirn gegen die ihres Bruders und sagte ihren Wunsch zuerst. Mit leiser Stimme sprach sie in den von sachten Atemzügen erfüllten Raum hinein: »Ich wünsche mir, dass wir die Stimme des Windsängers finden und dann schnell nach Hause zurückkehren können.« 
    Dann war Bowman an der Reihe. »Ich wünsche mir, dass Mama, Papa und Pinpin in Sicherheit sind, dass sie sich keine Sorgen um uns machen und dass sie wissen, dass wir irgendwie zurückkommen werden.« 
    Dann kuschelten sie sich aneinander und legten sich schlafen. 
    »Kess«, flüsterte Bowman. »Hast du Angst?« 
    »Ja«, flüsterte Kestrel zurück. »Aber was immer auch passiert, wir bleiben zusammen.« 
    »Wenn du bei mir bist, hab ich keine Angst.« 
    Und so schliefen sie schließlich ein.

 13 Strafe für Familie Hath 
    Ira Hath hatte nicht geschlafen, seit die Zwillinge verschwunden waren. Am ersten Abend hatte sie Pinpin in der neuen Einzimmerwohnung im Grauen Bezirk ins Bett gebracht wie sonst auch, war dann aber bis spät in die Nacht wach geblieben und hatte auf ein leises Klopfen an der Tür gewartet. Sie wusste, dass Kestrel und Bowman sich irgendwo in der Stadt versteckten, und sicher würden sie im Schutze der Dunkelheit zu ihr finden. Doch sie kamen nicht. 
    Am nächsten Morgen wurde sie von zwei streng dreinblickenden Konstablern besucht, die ihr eine Menge Fragen über die Zwillinge stellten und sie ermahnten, die Heimkehr der Kinder sofort zu melden. Dieser Besuch gab ihr neue Hoffnung. Offensichtlich hatte man sie noch nicht gefasst. Jetzt wurde Ira Hath klar, dass die beiden es nicht wagen konnten, sich der neuen Wohnung zu nähern, da sie überwacht wurde. Also beschloss sie sich draußen zu zeigen, damit die Zwillinge ihr leichter eine Nachricht zukommen lassen konnten. 
    Sobald

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