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Der Windsänger

Titel: Der Windsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Nicholson
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stieß sein Karren mit einem Mann zusammen, der einen Korb auf dem Kopf trug. Der Korb fiel auf die Straße und die Fässer polterten vom Karren. Aus dem Korb purzelten lauter kleine rosafarbene Krabben – eine im Weißen Bezirk geschätzte Delikatesse. Zwei dicke Frauen, die ebenfalls Pinpin und Ira Hath anstarrten, stürzten über die davonrollenden Fässer. Die dickere der Frauen zerquetschte ein Fass und zäher Zuckersirup ergoss sich auf das Straßenpflaster. Der Blockwächter, der herbeieilte, um Ordnung zu schaffen, trat zuerst in den Sirup, dann in die umherhuschenden Krabben und fiel schließlich über die andere dicke Frau. Als er sich zappelnd wieder aufrappelte, besudelte er ihren Kopf mit Sirup, in dem rosafarbene Krabben stecken geblieben waren. 
    Pinpin verfolgte das Geschehen voller Begeisterung, Ira Hath schenkte dem Durcheinander jedoch keinerlei Beachtung. Erhaben über die starrenden Blicke ihrer Nachbarn, die Flüche des Wächters und das Geschrei der Frau mit den Krabben im Haar schritt sie die Straße hinunter und bog in die Hauptstraße ein, die zum Stadtzentrum führte. 
    Während sie ihren Weg fortsetzte, den Korb in der einen und Pinpin an der anderen Hand, schloss sich ihr allmählich ein Gefolge von Neugierigen an. Sie hielten Abstand und tuschelten leise, als fürchteten sie, Ira könnte sie hören. Ira Hath stellte fest, dass ihr das Ganze fast Vergnügen bereitete. Die Streifen verliehen ihr eine gewisse Macht. 
    Als sie in den Kastanienbraunen und dann in ihren früheren Orangenfarbenen Bezirk gelangte, wurde ihr Gefolge immer zahlreicher, bis ihr schließlich fünfzig oder mehr Menschen aus unterschiedlichen Schichten folgten. Beim Eintreten in den Scharlachroten Bezirk blieb sie plötzlich stehen und drehte sich zu ihnen um. Die Leute blieben ebenfalls stehen und erwiderten ihren Blick schweigend wie eine Kuhherde. Ira wusste nur zu gut, warum sie ihr folgten: Sie wollten sehen, wie sie bestraft wurde. Die Bewohner von Aramanth fanden nichts faszinierender als die Demütigung ihrer Mitbürger in der Öffentlichkeit. 
    Aus irgendeinem tieferen Grund hatte Ira das Gefühl, dass ihr diese traurigen, leeren Blicke etwas mitteilen wollten, und ungewollt kamen ihr die Worte über die Lippen. 
    »O unglückliches Volk!«, rief sie. »Der nächste Morgen bringt uns Sorgen, doch der Tag darauf Freude zuhauf! Bereitet euch darauf vor, eure Farben zu mischen!« 
    Dann drehte sie sich um und ging weiter und ihr Publikum schlurfte murmelnd hinterdrein. 
    Ira Hath schritt stolz davon und spürte, wie das Blut in ihren Adern pulsierte. Sie war gern Ehefrau und Mutter, doch soeben hatte sie festgestellt, dass sie noch lieber Prophetin war. 
    Als sie den Platz vor dem Kaiserpalast erreichte, schien sich jeder Bewohner von Aramanth, der gerade nichts zu tun hatte, ihrem Gefolge angeschlossen zu haben. Genau genommen gab es in Aramanth natürlich niemanden, der nichts zu tun hatte, denn die Stadt sorgte dafür, dass jeder Einzelne eine sinnvolle Arbeit verrichtete. Daher zeigten sich die Stadtväter über den Anblick der Prozession, die hinter der bunt gestreiften Mutter und ihrem Kind am Prüfungsinstitut vorbeischlurfte, wenig erfreut. 
    Und Ira ging weiter – durch die doppelte Reihe von Marmorsäulen, in die Arena hinein und die neun Ränge hinunter. Die Menge folgte ihr, gespannt, was sie wohl als Nächstes tun würde. In der Mitte der riesigen Arena blieb Ira schließlich vor dem Holzsockel des Windsängers stehen. Sie hob zuerst den Korb auf den Sockel, dann Pinpin und kletterte selbst hinauf. Oben holte sie eine Decke aus dem Korb, die sie auf den Brettern ausbreitete, und setzte sich mit Pinpin hin. Aus dem geräumigen Korb kam nun noch eine Flasche Limonade und eine Tüte Brötchen. 
    Die Menschenmenge wartete mit offenem Mund auf ihre nächste frevelhafte Tat. 
    »O unglückliches Volk!«, rief die Prophetin. »Die Zeit ist gekommen, sich hinzusetzen und Brötchen zu essen!« 
    Und genau das tat sie auch. 
    Ihre Zuschauer warteten geduldig, denn sie wussten, es würde nicht dabei bleiben. Nach einer Weile erschien ein Prüfer von hohem Rang in weißem Talar, gefolgt von vier Konstablern. Dieser Prüfer, Dr. Greeth, war für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verantwortlich. Als die Menge ihn und die vier kräftigen Konstabler in die Arena hinuntersteigen sah, wurde sie von ahnungsvollem Schaudern ergriffen. 
    »Madam«, sagte Dr. Greeth mit seiner klaren,

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