Der Windsänger
verkündete Mumpo. »Wir sind die drei Helden.«
»Das haben wir gesehen«, erwiderte Kemba mit einem schwachen Lächeln. »Trotzdem halte ich es für das Beste, wenn wir euch nach Süden bringen, nach Aramanth, das euren Worten zufolge eure Heimat ist.«
»Nein, danke«, entgegnete Kestrel bestimmt. »Wir müssen nach Norden.«
Berater Kemba verbeugte sich in scheinbarem Einverständnis und überließ die Kinder den Flechtern.
Das Ergebnis war beeindruckend. Die drei Kinder betrachteten sich im Spiegel und schwiegen ehrfürchtig. Ihre Gesichter waren von einem hellen Schein umgeben und bei jeder Kopfbewegung glitzerte es. Der Meisterflechter strahlte sie stolz an.
»Ich wusste, dass das Gold euren blassen Teint betonen würde«, erklärte er. »Ehrlich gesagt, wir Barakas brauchen kräftigere Farben. Bei mir hätte Gold überhaupt keine Wirkung.«
Er befingerte seine eigenen roten, orangefarbenen und giftgrünen Zöpfe.
Beim Eintreten in den Festsaal wurden die Kinder mit stehenden Ovationen begrüßt. Überall in den langen Tischreihen ertönten bewundernde Ohs und Ahs darüber, wie ihre Haare im Kerzenschein glänzten. Raka von Baraka gab ihnen ein Zeichen, rechts und links neben ihm Platz zu nehmen. In dem Glauben, den Kindern eine Freude zu machen, verkündete er: »Wir segeln nach Süden! Kemba hat mir ausgerichtet, es sei euer einziger Wunsch, nach Aramanth zurückzukehren. Also habe ich den Befehl gegeben, Kurs nach Süden zu nehmen.«
»Aber das stimmt nicht«, rief Kestrel. »Wir wollen nach Norden.«
Das Lächeln verschwand aus Rakas Gesicht. Er schaute über den Tisch zu Kemba hinüber und erwartete eine Erklärung. Berater Kemba legte seine weichen Hände auf den Tisch.
»Ich halte es für unsere Pflicht, Mylord, uns in jeder erdenklichen Weise um unsere jungen Helden zu kümmern. Die Straße nach Norden ist unpassierbar. Die Brücke über die Schlucht ist verfallen. Kein Reisender wagt sich mehr dorthin.«
»Wir schon«, gab Kestrel bissig zurück.
»Da ist noch etwas anderes.« Kemba seufzte, als bereitete es ihm Schmerzen, darüber zu sprechen. »Mylord, obwohl wir nun schon lange gegen Omchaka Krieg führen, sind wir von einer größeren Gefahr bisher verschont geblieben, wie Ihr wisst. Ich spreche von…« Er zögerte und flüsterte dann: »Den Saren.«
»Den Saren?«, fragte Raka laut und deutlich. Und wie ein Echo wurde das Wort entlang der Tischreihen wiederholt: »Die Saren… die Saren.«
»Die Kinder könnten aus Versehen jemanden aufwecken…«
»Ja, ja«, erwiderte Raka hastig. »Wir fahren besser nach Süden.«
Die Zwillinge waren entsetzt.
Lass es für den Moment gut sein, sagte Bowman in Gedanken zu Kestrel. Also schwieg sie und Berater Kemba, der sie scharf ansah, war zufrieden.
Nach dem großen Festessen bat Bowman Raka um einen besonderen Gefallen. Er wollte den Kriegsherrn unter vier Augen sprechen.
»Sicher«, antwortete Raka, der gut gegessen und getrunken hatte und in wohlwollender Stimmung war. »Warum nicht?«
Doch Kemba zeigte sich misstrauisch. »Ich denke, Mylord…«, begann er.
»Ach, was, Kemba«, beschwichtigte ihn Raka. »Sie machen sich zu viele Sorgen.«
Er führte Bowman in seine Privatgemächer und Kemba musste sich damit begnügen, an der Tür zu lauschen.
Doch er hörte etwas ganz anderes, als er erwartet hatte. Der Junge und der Kriegsherr saßen lange in tiefem Schweigen zusammen. Möglicherweise war Raka eingeschlafen. Doch dann hörte der Berater die leise Stimme des Jungen.
»Ich spüre, wie Sie sich erinnern«, sagte er.
»Ja…«, antwortete Raka.
»Sie sind noch ein Baby. Ihr Vater nimmt Sie mit – überallhin. Er hebt Sie hoch und lächelt Sie an. Sie sind noch klein, aber Sie spüren seinen Stolz und seine Liebe.«
»Ja, ja…«
»Jetzt sind Sie älter. Sie sind ein Junge. Sie stehen vor Ihrem Vater und er sagt: ›Kopf hoch! Kopf hoch!‹ Sie wissen, dass er sich wünscht, Sie wären größer. Sie selbst wünschen es sich auch, mehr als alles andere auf der Welt.«
»Ja, ja…«
»Jetzt sind Sie noch älter. Sie sind ein erwachsener Mann und Ihr Vater schaut Sie nicht einmal mehr an. Er kann es nicht ertragen, weil Sie so klein sind. Sie sagen nichts dazu, doch Ihr Herz ruft ihm zu: ›Sei stolz auf mich. Hab mich lieb.‹«
»Ja, ja…« Raka schluchzte jetzt leise. »Woher weißt du das alles? Woher?«
»Ich fühle es in Ihnen. Ich fühle es in
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