Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Weidenholzer
Vom Netzwerk:
meine Hände werden zittern, ich werde auflegen, weil ich keinen Schadenersatz einklagen kann. Weil es keinen Schadenersatz gibt, weil der Kühlschrank siebzehn Jahre alt ist. Siebzehn Jahre, würde die Stimme am anderen Ende der Leitung sagen, siebzehn Jahre, und da wundern Sie sich, wenn Ihnen so etwas passiert.
    An der Wegkreuzung biegt Maria rechts ab, hier ist schon lange niemand gegangen, sie stapft durch den Schnee, langsam, der Schnee rutscht in ihre Schuhe, sie flucht. Der Teich liegt hinter den Bäumen versteckt. Maria geht noch langsamer als zuvor, da unten sind deine Freunde, sagt sie und stellt die Tasche ab, nimmt die Schachtel heraus. Entschuldige, Otto. Maria faltet die Hände, sie hat schon lange nicht mehr gebetet, aber sie weiß, was zu tun ist.
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes. O Herr, gib ihm und allen Verstorbenen die ewige Ruhe. Und das ewige Licht leuchte ihnen. Lass sie ruhen in Frieden. Amen
. Wenn Maria die Worte des Vorbeters spricht, tritt sie zwei Schritte nach links, wenn sie die Worte der Kirchengemeinde spricht, stellt sie sich wieder zurück auf ihren Platz. Maria macht ein Kreuzzeichen, den Vater auf die Stirn, den Sohn auf den Bauchnabel, den Heiligen Geist auf die linke Brust. Dann beginnt sie zu graben. Sie zieht die Handschuhe aus, legt sie in die Tasche, schaufelt mit den bloßen Händen den Schnee weg, aber sie kommt nicht weit, weil der Schnee gefroren ist. Maria schlägt mit den Fäusten auf das Eis und hört schnell wieder auf, weil es weh tut. An zwei Fingerknöcheln werden ihr blaue Flecken bleiben, die sich grün verfärben, gelb, und dann verschwinden werden. Achtung, sagt Maria und öffnet die Schachtel. Otto hat sich von den Blättern gelöst, sein Körper ist weich geworden, seine Hinterbeine sind ausgestreckt. Maria kippt ihn in das Loch, unter Laub liegt Otto im Schneeloch, und Maria ist zufrieden, bis sie bemerkt, dass Otto mit dem Rücken nach unten liegt. Sollte er wieder aufwachen, denkt sie, ist es gewiss nicht gut, wenn er nach oben schaut, er würde zu wenig Kraft haben, sich umzudrehen. Maria hockt eine Weile vor Otto und überlegt, wie sie ihn am besten angreift. Dann nimmt sie ihn links an den Beinen, zieht ihn hoch, lässt ihn fallen, zieht ihn an den Beinen in die Mitte des Lochs, sie streicht mit dem Zeigefinger über seinen Körper, sagt: Entschuldige, schüttet ihn zu mit Laub und dann mit Schnee, bis die Stelle eben ist. Eben, aber nicht glatt, wie die Schneedecke um den Teich. Sie werden dich finden, sie werden dich ausgraben, nein, das möchte ich nicht, ich möchte alles richtig machen, flüstert Maria. Sie geht ein paar Schritte zur Seite, wo sie zuerst eine kleine Schneekugel formt, die sie über die Schneedecke rollt, nach vor und wieder zurück, dorthin, wo sie ihre Tasche abgestellt hat, damit sie sich erinnert, wo Otto liegt. Sie formt zwei weitere Kugeln und stellt sie übereinander. Die Schneekugeln sind schwer, und Marias Rücken schmerzt beim Heben und danach. In die oberste Kugel steckt sie Zweige, die sie einem Baum abbricht. Das größte Stück kommt in die Mitte, zwei kleinere Zweigstücke links und rechts darüber. Maria überlegt eine Weile, dann drückt sie ein kleines Zweigstück unten in die Kugel. Augen, Nase, Mund, sagt sie, Otto ist gesund. Danach nimmt sie zwei größere Äste, die neben dem Baum auf dem Boden liegen, und sticht sie dem Schneemann in die Seiten.

39 Blumengewitter
    Piccoloflaschen haben keine Korken. Sie knallen nicht, wenn sie geöffnet werden. Sie rauchen kurz und verhalten sich dann schnell unauffällig. Maria gießt Sekt in das Bleikristallglas. In eines der guten Gläser, wie Walter sie nannte. Die guten Gläser werden nur an besonderen Tagen benutzt, die Hochzeitsgläser, fünf Stück, weil eines zu Bruch ging, als es Silvester neunzehnachtundachtzig jemand fallen ließ. Wer, das konnte nicht festgestellt werden, das Sektglas lag gebrochen in der Küche, und jemand sagte: Schade um das gute Glas. Der

Weitere Kostenlose Bücher