Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Weidenholzer
Vom Netzwerk:
hinüber in die Küche, wo der Kühlschrank offensteht und Wasser auf den Boden tropft. Nein, sagt Maria und legt ein Geschirrtuch unter, neben dem Herd findet sie eine Packung Suppe. Durch das Küchenfenster schaut Maria hinaus auf den Balkon, sie erinnert sich, dass sie einen Strumpf holen wollte. Im Schlafzimmerschrank ist die Kiste mit den Strumpfhosen, Maria nimmt eine braune, sie trägt sie nach draußen auf den Balkon, zieht sie über Ottos Schachtel, sodass die Strumpfhosenbeine nach vorne auf den Boden fallen. Danach geht sie schnell zurück in die Küche, ohne Otto anzusehen. Wie damals, als Maria noch das Auto hatte. In gefährlichen Situationen, etwa bei engen Gartentoren oder knappen Parklücken, schaute sie zuerst genau. Wenn sie nicht sicher war, ob der Abstand reichte, fuhr sie weiter, hielt die Luft an und schloss die Augen. Zurück in der Küche stellt Maria einen Topf Wasser auf die Herdplatte, sie wartet, bis das Wasser heiß genug ist. Maria hat keinen Hunger, aber sie wird trotzdem Suppe kochen und versuchen, sie zu essen. Wer nicht isst, wird nicht bezahlt, sagte Herr Willert manchmal. Wer zu viel isst, auch nicht, dachte Maria dann. Achten Sie auf sich, achten Sie auf Ihre Figur. Sie repräsentieren, Sie wissen doch.
    Am frühen Nachmittag schüttelt Maria die Schachtel am Balkon. Otto ist nicht mehr festgefroren, sie berührt seinen Körper, er wird weicher, aber er bewegt sich nicht. Am mittleren Nachmittag schließt sich Maria im Badezimmer ein. Am späten Nachmittag streift sie ihren Wintermantel über, wickelt den Schal um den Hals, zieht ihre Handschuhe an. Sie holt Otto aus der Küche und legt ihn mit seiner Schachtel in eine große Tasche. Gehen wir, sagt sie, gehen wir, ich hoffe, ich habe nichts vergessen. Bevor Maria die Tür aufschließt, schaut sie in den Spiegel. Sie zupft an ihren Wangen, dass Farbe in ihr Gesicht kommt. Danach holt sie Puder, um die Stelle zu überdecken, danach fährt sie mit den Händen über ihr Gesicht, um überschüssigen Puder zu entfernen. Sie überlegt kurz, Otto zu fotografieren. Tote fotografiert man nicht, sagt sie. Gehen wir.
    Gehen bedeutet, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Maria stolpert über die Türschwelle, als sie die Wohnung verlässt. Wäre es Sommer, würde Maria der große Zeh schmerzen, aber es ist Winter, und Marias Schuhe sind gut gefüttert. Um rechtzeitig beim Teich zu sein, muss sie sich beeilen, am Rückweg wird es bereits dunkel sein. Maria hat einen Kugelschreiber eingesteckt, der gleichzeitig eine Taschenlampe ist, zur Sicherheit, weil man nie weiß, was kommt. Maria quert die Straße, geht vorbei am Supermarkt, wo der Straßenzeitungsverkäufer sie grüßt. Der Straßenzeitungsverkäufer wartet jeden Tag neben den Einkaufswägen, er repariert sie, wenn sich die Räder verklemmen, und bereitet sie für Frauen vor, indem er eine Münze einlegt und ihnen mit dem Einkaufswagen entgegenkommt. Maria zieht den Kopf ein, als sie den Straßenzeitungsverkäufer sieht, sie möchte nicht angesprochen werden, nicht gesehen werden. Der Straßenzeitungsverkäufer grüßt trotzdem. Hallo, sagt er, hallo, sagt Maria und wechselt die Straßenseite.
    Zweimal links, einmal queren, rechts und dann immer geradeaus. Dort wo die Stadt in den kleinen Wald übergeht, stehen nur vereinzelt Einfamilienhäuser. Die Straßen sind nass vom Salz, das weiße Ränder auf Schuhen hinterlässt. Dort wo die Stadt in den Wald übergeht, wird die Straße zu einem Feldweg. Maria muss ihre Schritte verlangsamen, sie geht vorsichtig, damit sie nicht ausrutscht und fällt. Wenn das Licht durch den Wald bricht, glitzert der Schnee. Es war sehr schön mit dir, sagt Maria, weißt du, ich mochte dich. Ich werde die Kühlschrankproduzenten anrufen. Ich werde schreien, ich werde schreien: Sie haben meine teuren Lebensmittel ruiniert, ich möchte vollen Kostenersatz. Ich hatte einen Gast eingeladen, werde ich schreien, einen Gast, den ich sehr gerne mochte, dem ich den schönsten Aufenthalt bereiten wollte. Sie haben mein Leben ruiniert. Ich wollte, dass der Gast lange bleibt, ich wollte, dass es ihm gut geht, und dann ist er gegangen, ist er gestorben, ja, so werde ich es sagen. Wie stirbt man von einer defekten Temperaturregelung im Kühlschrank, wird die Stimme am anderen Ende der Leitung vielleicht fragen. Und ich werde schreien: Wie können Sie so etwas fragen. Sie haben ein Leben zerstört, und jetzt liegt Otto im Wald unter dem Schnee. Dann werde ich auflegen,

Weitere Kostenlose Bücher