Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
kann nicht schreiben, sagt die Brünette, wenn ich den Schirm unter dem Arm habe, dort hinten ist ein Durchgang, dort können wir uns unterstellen. Gut, sagt die Blonde, wir stellen uns unter, schreib auf:
Die zweite Verkäuferin war sehr zuvorkommend, sie konnte mit der Kundschaft umgehen, sie war gut im Konfliktmanagement, aber der Nagellack an ihren Fingernägeln war abgesplittert
. Im nächsten Laden müssen wir uns unauffälliger verhalten, sagt Kurt, ihr wart viel zu auffällig. Warst du überhaupt im Supermarkt, fragt Maria, und Kurt sieht einer Taube nach, die im Durchgang auf und ab spaziert. Fliegen Vögel bei Regen, fragt Kurt. Was ist denn das für eine Frage, sagt die Blonde, selbstverständlich fliegen Vögel bei Regen, wie kommst du darauf, lass uns das hier zu Ende bringen.
Kurt, Maria und die beiden Frauen haben die Aufgabe bekommen, sich umzusehen, drei Läden, mindestens, das schaffen Sie, hat die Trainerin gesagt. Es ist Vormittag, es sind noch wenige Menschen auf der Straße, und Maria hofft, dass sie niemanden trifft. Würde sie jemanden treffen, sie würde Kurt als ihren Ausbildungskollegen und die beiden Frauen als ihre Ausbildungskolleginnen vorstellen. Würde jemand fragen, was für eine Ausbildung sie mache, würde Maria sagen, ich orientiere mich neu, auch im Alter hat man nie ausgelernt. Sie würde lachen, wenn die andere Person lachen und sagen würde, Maria, du bist nicht alt. Maria würde lachen und sagen, die Jüngste bin ich nicht, sieh dir meine Falten an, und sie würde an die Worte des Trainers denken: Ab fünfundvierzig wird es zunehmend schwierig, warum sollte sich ein Arbeitgeber für Sie entscheiden, wenn hinter Ihnen eine ganze Reihe junger attraktiver Verkäuferinnen steht. Warum, Frau Beerenberger. Überlegen Sie sich Argumente, Sie müssen überzeugend auftreten. Es gibt nur wenige Stellen, man muss ein Bewerbungsprofi sein, damit einen die Personalberater nicht am linken Fuß erwischen. Man bereitet sich auf so vieles im Leben vor, und meistens, wenn ich frage, warum sind Sie arbeitslos, was haben Sie in der Zeit gemacht, warum kommen Sie für unser Unternehmen in Frage, bekomme ich keine zufriedenstellende Antwort. Wir sind hier, um zu lernen, wie man größere Lücken überspielt, Lücken, die jeder hat, Schwächen zu haben, das ist menschlich, aber der Personalberater darf Sie nicht am linken Fuß erwischen, sonst wird es schwierig. Der Verlust des Arbeitsplatzes kann eine einmalige Chance sein, sein Leben nach den Begabungen neu zu ordnen. Wir spielen heute Bewerbungsgespräche durch, ich bin der Personalchef, wir filmen mit und erstellen danach eine Bewerbungsanalyse, Frau Beerenberger, wir beginnen mit Ihnen. Bitte kommen Sie zu mir, keine Angst, bitte setzen Sie sich, ich stelle die Kamera ein. Gut, sind Sie bereit, Maria nickte. Dann gehen Sie bitte zur Tür hinaus, wenn ich Sie aufrufe, kommen Sie herein, so wie Sie bei Ihrem Traumjob zur Tür hereinkommen würden. Lassen Sie sich von den anderen Kursteilnehmern nicht ablenken, Sie verhalten sich bitte alle ruhig. Frau Beerenberger, legen wir los.
Maria öffnete die Tür zum Kursraum nicht selbst, der Trainer öffnete sie, und Maria trat nach hinten, weil die Tür sich nach außen öffnete. Frau Beerenberger, kommen Sie herein, bitte. Er berührte sie kurz am Oberarm. Maria roch die Kursraumluft, sie sah, dass Kurt sich in der zweiten Reihe aufrecht hingesetzt hatte, sie fühlte sich wie eine Schauspielerin, sie sagte: Vielen Dank, es freut mich, Sie kennenzulernen. Nehmen Sie doch Platz, Frau Beerenberger, sagte der Trainer, und Maria setzte sich. Erzählen Sie von sich. Maria hörte Kurt im Hintergrund seufzen, sie setzte sich aufrecht hin. Frau Beerenberger, können Sie bitte ein wenig lauter sprechen, ich verstehe Sie schlecht. Entschuldigung, sagte Maria. Frau Beerenberger, wären Sie bereit, ein Training zu besuchen, damit Ihr Auftreten besser wird, im Umgang mit Kunden ist ein gutes Auftreten und Erscheinungsbild wichtig, das wissen Sie doch, fragte der Trainer. Ja, ich weiß, sagte Maria, ja, ich würde das machen, sagte sie, als sie der Trainer eine Weile anblickte. Wären Sie bereit, das auch selbst zu bezahlen, fragte der Trainer. Maria überlegte eine Weile, sie sagte: Notfalls würde ich das bezahlen, ja. Dann stand der Trainer auf, streckte ihr die Hand entgegen. Gut, Frau Beerenberger, vielen Dank, wir melden uns. Er führte Maria an der Schulter in Richtung Tür. Maria dachte, wie eine Blinde,
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