Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Fahrgäste lachen, wenn sie in den kleinen Wagen der Geisterbahn Platz nehmen, sie sitzen zu zweit nebeneinander, manche halten sich seitlich an der Verkleidung fest, andere an der Stange vor ihnen. Die Wagen sind klein, manche Fahrgäste haben Mühe, ihre Beine unterzubringen. Seid ihr bereit, fragt eine dunkle Stimme, bevor der Wagen losfährt, seid ihr bereit für die Geisterwelt. Die Stimme wartet keine Antwort ab, und der Gorilla hebt alle paar Sekunden langsam seinen Arm, bevor er dunkel zu lachen beginnt.
Wenn sich die Wagen in Bewegung setzen, fahren sie ruckartig an, die Fahrgäste fallen kurz nach vorne und halten sich dann an der Stange im Wageninneren fest, die Knie haben sie angewinkelt. Einige kreischen bald, weil der erste Geist sie erschreckt, ein Geisterbahnmitarbeiter wartet im Dunkeln gleich hinter dem Eingang und hält den Fahrgästen eine zottelige Maske dicht vor das Gesicht. Der Geisterbahnmitarbeiter hat seine Haare zu einem Zopf gebunden, der Zopf hängt ihm am Rücken hinab, der Mann wartet neben dem Eingang, wenn es nichts zu tun gibt. Weil er das Tageslicht sehen möchte, dachte Maria, als sie ihn zum ersten Mal aus der Geisterbahnwelt kommen sah; aber besser wäre es, er bliebe im Dunkeln. Das erste Mal ist immer ein großer Schritt, sagte Walter, als sie vor dem Kassenhaus warteten, er lachte, fürchtest du dich. Während ihrer ersten Geisterbahnfahrt hielt Maria die Augen geschlossen, sie hörte die Schreie, sie hörte die Gespensterstimmen, sie spürte das Ruckeln des Wagens und das aufblitzende Licht. Maria saß still im Wagen, und ab und zu öffnete sie die Augen einen Spalt.
Der Jahrmarkt gastiert im Frühling und im Herbst in der Stadt. Dann stehen die Männer am Fluss. Als ob sie etwas darin suchen würden, dachte Maria, als sie die Männer zum ersten Mal am Fluss stehen sah; als ob sie traurig wären. Die Männer stehen am Fluss, weil sie den Fluss den Toiletten vorziehen, dort, wo an Sommertagen die Jugendlichen sitzen. Das stellt das natürliche Gleichgewicht her, sagte Walter, wenn er das Bierzelt in Richtung Fluss verließ, die Fische mögen das und die Pflanzen wachsen besser. Fische, sagte Maria zu Walter und trank einen Schluck Bier, du meinst, darin leben Fische. Ja, sagte Walter, Ponys wohl nicht.
Der Fluss zieht langsam durch die Stadt, mattgrün, an manchen Tagen ist er grau. Der Fluss teilt die Stadt in zwei Hälften, er durchfließt sie in seinem Betonbett, das er verlässt, wenn er zu viel Wasser in sich trägt. Dann fließt das Wasser in die umliegenden Häuser, und zieht es sich zurück, bleibt der Schlamm. Der Fluss trägt die Schiffe dahin, fort, dorthin, wo ich nicht bin, wo ich nicht war, sagte Maria, und Walter sagte, Prinzessin, was redest du. Die Luft im Bierzelt war immer die gleiche, warm, feucht und gut verraucht. Walter und Maria trafen jedes Jahr in der Ecke rechts vorn die anderen, von dort hatten sie die Bühne gut im Blick, und die Tanzfläche war nicht weit. Maria sang zu ihren Lieblingsliedern, und wenn ihnen danach war, schunkelten Walter, Maria und die anderen. Die anderen waren Walters Arbeitskollegen, sie wechselten wie die Jahrmarktbekanntschaften an ihrer Seite, vor denen Rosen oder Stofftiere lagen, die ihnen die Männer zuvor geschossen hatten.
Aber einmal auch der helle Schein
. Hört ihr, wie schön meine Prinzessin singt, sagte Walter in manchen Jahren, er legte seinen Arm um Maria, er sagte: Prinzessin, sing für uns. Maria träumt davon, eine große Sängerin zu werden, sagte Walter, er lachte, und die anderen lachten, sie hoben ihre Bierkrüge, Maria, unsere große Sängerin, bitte sing für uns.
Manchmal greift man nach der ganzen Welt, manchmal meint man, dass der Glücksstern fällt
. Die Luft im Bierzelt war immer die gleiche. Jetzt ist sie anders, denkt Maria, als sie vor der Geisterbahn steht, jetzt, wo man zum Rauchen nach draußen geht, jetzt riecht man den Schweiß der anderen mehr.
Vom Bierzelt zur Geisterbahn sind es wenige Schritte, zum Ponykarussell ist es weiter, weil die Ponys Ruhe brauchen, wenn sie ihre Runden drehen und die Kinder auf dem Rücken tragen. Um das Ponykarussell stehen Eltern und Verwandte, die den Kindern zuwinken, die Ponys lassen die Köpfe hängen, auch wenn die Kinder ihnen mit den Beinen in die Seiten boxen. Nur für Zuckerstücke blicken sie auf. Maria möchte keine Kinder sehen, und das Ponykarussell wird abends geschlossen, wenn es dunkel wird und der Gorilla vor der Geisterbahn seine Arme
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