Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Ein Haustier
Ein Haustier würde dir gut tun, sagte Martha, du hättest einen Ansprechpartner. Martha trug ihren roten Rollkragenpullover, als sie mit Maria im
Bistro Brigitte
saß, während Frau Herta hinter ihnen Bertis Urne abstaubte. Eine Katze, sagte Martha, du streichelst doch meine gern, und Katzen mögen dich. Eine rote, vielleicht eine schwarze, eine gescheckte, eine Glückskatze, es gibt so viele Farben, sagte Martha, darf ich mitkommen, wenn du eine aussuchst, bitte. Nein, sagte Maria, das wäre zu viel Verantwortung, ich kann die Katze nicht den ganzen Tag in der Wohnung lassen, wenn ich in der Arbeit bin, nein. Ich weiß doch, dass du Tiere magst, sagte Martha, und jetzt, wo Walter nicht mehr ist. Nein, sagte Maria und erzählte Martha nicht von den Kaulquappen. Weil Martha dagegen gewesen wäre, weil sie gefragt hätte: Warum machst du das.
Maria liegt auf dem Sofa, als sie an Martha denkt, der Fernseher läuft im Hintergrund. Die Plastikschüssel mit den Kaulquappen steht auf dem Wohnzimmertisch, Maria wird sie morgen zurückbringen. Maria hat eine Liste geschrieben,
Morgen = Mittwoch
steht darauf, darunter:
Aufstehen 8 Uhr, Frühstücken und anziehen 1 Stunde, Kaulquappen versorgen und neues Gefäß für Otto vorbereiten 1 Stunde, Kaulquappen zum Teich bringen 2 Stunden, Mittagessen 1 Stunde, bewerben 2 Stunden, Pause 2 Stunden
. Otto bleibt bei mir, denkt Maria, Otto ist kleiner als die anderen, er würde im Teich nicht überleben. Otto wird überleben, und bis Otto ausgewachsen ist, werde ich Arbeit gefunden haben. Sie nimmt das Heft, das neben ihr auf dem Boden liegt, sie liest:
Tag 1: Ein brauner Bottich mit Wasser, Wasserlinsen und Ästen. Eine bewegt sich kurz, sie lebt, eine liegt tot am Boden, der Kopf ist noch nicht ausgeprägt. Lang sind sie, zwei kleine Flossen hinter dem Kopf, lang und schwarz, die meisten sind noch in einer Hülle, unförmige Punkte mit durchsichtiger Haut herum. Tag 5: Kleine Kiemen oder so etwas, die Großen sehen schon wie Kaulquappen aus. Tag 6: Ich bin zu müde, um das Wasser zu wechseln. Das Wasser stinkt. Es werden zu viele, viel zu viele, und sie sind unterschiedlich groß. Das Wasser ist braun, eine Schnecke schwimmt mit der Unterseite nach oben und frisst. Das Wasser stinkt, morgen wechsle ich. Dreißig oder mehr, kein schöner Anblick, die Schwanzflossen sind durchsichtig. Es stinkt. Und sie leben so sehr. Morgen muss ich das Wasser wechseln. Tag 7: Umtopfen ist viel Arbeit. Es geht auch mit einem Löffel, aber besser wäre ein Sieb. Am Boden Kaulquappendreck oder Kaulquappenleichen. Eine große ist aufgeregt, flitzt am Rand eine Runde, kommt fast heraus aus dem Wasser. Zwei liegen am Boden, an die 13 werden es sein. Sie schwimmen und schwimmen. Ein bisschen sehen sie wie Frösche aus. Tag 8: Sie werden immer größer und schwimmen so schnell. Niemand hat mehr Kiemen, oder doch. Tag 14: Die Großen sind nicht mehr schwarz, sondern froschfarben, krötenfarben, die Schwanzflosse durchsichtig. Eine bewegt sich nicht, dann doch. Ich habe Angst, dass sie heraushüpfen. Die Großen haben Punkte, die wie Augen aussehen, und sind drei Mal so groß wie die Kleinen. Ich habe Angst vor ihnen. Tag 15: Zwei kleine schwimmen unter einer großen durch. Ich halte den Finger ins Wasser, nichts passiert. Tag 21: Eine ist kleiner als die anderen. Ich werde sie zurückbringen, sie sind gepunktet, kein schöner Anblick. Die großen haben kleine Beine. Ich werde ihn behalten. Ich werde ihn Otto nennen. Otto. Braucht er einen Spielgefährten
.
30 Brachland
Maria wischt ihre Hände an der Hose ab, sie reibt sie aneinander, sie wischt sie wieder ab. Ist Ihnen kalt, könnte jemand fragen, aber niemand ist da, als Maria den Vorraum durchquert. Jemand könnte fragen, warum machen Sie das, und Maria würde antworten: Was meinen Sie, möchten Sie wissen, warum ich diesen Vorraum durchquere. Maria würde nicht erzählen, dass sie keine kalten Hände, dass sie keine feuchten Hände haben möchte, weil ein Händedruck die Seele eines Menschen weitergibt. Das hat Maria gelesen, sie weiß nicht mehr wo, sie weiß nicht mehr, ob es die Seele war, die weitergegeben wird, aber Maria erinnert sich, dass die Hände in der Körpersprache mindestens so wichtig sind wie die Augen, und deshalb wischt sie ihre Hände ab. Ihre Fingernägel hat sie gestern Abend gefeilt und heute Morgen, bevor sie losgegangen ist, auf Unregelmäßigkeiten und Schmutz kontrolliert. Achten Sie auf Ihr Auftreten, das sagte
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