Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Flur hängt ein Herrenhut, Maria wartet darauf, dass ein blasser Mann kommt und diesen Hut von der Garderobe nimmt, auf seinen Kopf setzt, an ihr vorbeigeht, ohne sie zu grüßen. Seine Augen werden leer sein, sein Blick wird ihr begegnen, aber er wird durch mich hindurch sehen, denkt Maria, aus wässrigen Augen. Die Tür wird sich hinter dem Mann mit Hut schließen, sie wird knarrend zufallen, so, wie sie geknarrt hat, als Eduard sie geöffnet hat. Eduard, werde ich rufen, Eduard, wo bist du, aber die Tür wird verschlossen bleiben, und kein Laut dringt hinaus. Ich werde nicht hineingehen, nein, ich werde dieses Haus nicht betreten. Maria hebt einen Stein vom Boden, er ist grau und weiß gesprenkelt, sie wiegt ihn in der rechten Hand, lässt ihn von der rechten in die linke fallen und wieder zurück. Als Eduard im Flur auftaucht, über die Türschwelle nach draußen tritt, möchte sie den Stein nach ihm werfen. Sie sieht, wie er umkehrt, den Hut von der Garderobe nimmt, über seinen Kopf hält, sich grüßend verbeugt, den Hut auf den Boden wirft. Wo warst du so lange, fragt Maria, wo bist du gewesen. Im Haus, antwortet Eduard und hält ihr seine geschlossene Hand hin, ich habe dir etwas mitgebracht.
Der Schlüssel ist verrostet, und Maria nimmt ihn vorsichtig aus Eduards Hand. Danke, sagt sie und holt ein Taschentuch aus ihrem Rucksack, sie legt den Schlüssel hinein, faltet das Taschentuch zusammen. In welchem Haus bin ich heute Nacht gewesen, denkt Maria, während sie den Schlüssel verpackt und sich an ihre Bettdecke erinnert, den Kopfpolster, aber bevor Maria weiter nachdenken kann, sagt Eduard: Pass gut auf ihn auf, er küsst sie auf die Stirn. Ich komme in den Sommerferien wieder, ich schreibe dir, ich ruf dich an. Maria sieht Eduard in einer Wohnung sitzen, vor einem Telefon, das am Boden steht, ein grünes Telefon mit weißer Wählscheibe, in einer Stadt, die sie nicht kennt, in einem Haus, das sie nicht kennt. Aber die Fenster habe ich heute Nacht gesehen, denkt sie, braun war der Fensterrahmen, und das Glas war schmutzig, ein Erker, ein Dielenboden, aber die Wohnung war leer, weil Eduard ausziehen musste, Eduard wollte bleiben. Eduard sagt: Du machst die Lehre fertig, bis zur Lehrabschlussprüfung hast du nicht mehr lange, und dann, dann kommst du nach. In der Stadt sind viele Boutiquen, du findest bestimmt schnell eine Stelle, die warten auf junge Mädchen wie dich. Eduard streicht durch Marias Haar. Lass das, sagt sie, du bringst meine Frisur durcheinander. Du hast mir noch etwas versprochen, sagt Maria. Muss das sein, sagt Eduard, und Maria nickt. Eduard knöpft sein Hemd auf und hängt es über einen Ast, er greift nach hinten und zieht sein Unterhemd über den Kopf. Und jetzt, fragt Eduard, ich friere. Halt still, sagt Maria und setzt den Stift beim obersten Muttermal an der rechten Schulter an.
2 Wer auf Schnecken tritt, hat klebrige Füße
Halt still, sagt die Mutter, als sie Marias Fuß abschrubbt. Die Bürste wird am Schienbein rote Striemen hinterlassen, dort wo die Mutter mit der Bürste entlangfährt, wenn Maria ihre Füße wegzieht, weil die Bürste kitzelt, weil die Hände der Mutter kitzeln, auch wenn sie den Fuß noch so fest umgreifen. Du musst auf den Boden schauen, du musst schauen, wohin du deine Schritte setzt. Der Schneckenschleim ist zäh, du hättest deine Füße ohnehin waschen müssen, sagt die Mutter und trocknet Marias Füße ab, die sie schnell wegzieht. Wo hast du deine Schuhe gelassen. Die Schwester schreit, und die Mutter geht zu ihr hin, nimmt sie aus dem Bett, schaukelt sie im Arm. Bitte zieh Socken an, sagt sie zu Maria, auf dem Bett liegt ein Paar.
Der Vater hat kleine Augen, als er nach Hause kommt, er trägt eine Schachtel unter dem Arm. Maria sitzt am Boden, sie zieht ihrer Puppe ein neues Kleid an. Bist du noch wach, sagt der Vater und streicht ihr über den Kopf, brave Mädchen schlafen schon. Das Kleid der Puppe hat ein Loch, dort wo der Ärmel angenäht ist. Der Arm der Puppe schaut durch das Loch, Maria muss wieder von vorn beginnen, muss der Puppe das Kleid über den Kopf ziehen, muss sagen: Es ist kalt, wo hast du dein Kleid gelassen. Die Augen der Puppe sind blau, sie klimpern, wenn sie zufallen. Die Mutter kommt ins Zimmer, sie nimmt den Vater in den Arm, sie sagt: Wie geht es deiner Schwester, warum ist sie nicht mitgekommen. Sie wollte nicht, sagt der Vater, die Mutter stemmt ihre Arme in die Seiten. Maria, komm, geh schlafen, es ist schon spät,
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