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Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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roch es in der Küche nach frischem Kaffee und verbranntem Brot. Das Küchenmädchen hatte einen Laib auf die Herdplatte gelegt, um ihn zu wärmen, aber sie hatte ihn anbrennen lassen, und die Kruste der dicken Scheibe Brot auf meinem Teller war schwarz verkohlt. Papa meinte, ich sollte das Verbrannte mit dem Messer abkratzen. Ich tat es, aber das Brot schmeckte trotzdem bitter.
    Nach dem Frühstück ging Papa hinunter in seine Werkstatt, und ich wartete darauf, dass Mama mich bat, ihr aus einem der französischen Romane, die sie so liebte, vorzulesen, während sie Stickarbeiten machte. Aber sie blieb stumm. Ein Schatten ging über ihr Gesicht. Sie stöhnte.
    »Es ist nichts.« Sie brachte die Worte kaum heraus vor Schmerzen.
    Ich erinnere mich an das leise Quietschen der Tür des Raums, in dem auf einem Regal Fläschchen mit Kräuteressenzen standen, alle ordentlich von meiner Mutter beschriftet. Ich erinnere mich an den scharfen Minzegeruch des Glasstöpsels, den meine Mutter mich zu halten bat. Sie zählte dreißig Tropfen ab, die den Zuckerwürfel in ihrer Hand grün verfärbten. Dann steckte sie den Zucker in den Mund, wartete eine Weile, bis er sich auflöste, und schluckte ihn hinunter. Sie zupfte das goldene Kettchen mit einem Medaillon der Jungfrau Maria um meinen Hals zurecht, dabei bemühte sie sich zu lächeln. Als sie mich ins Wohnzimmer führte, dachte ich daran, wie weich und warm ihre Hand sich anfühlte und dass ihre Finger genauso spitz zuliefen wie meine.
    Sie sagte, sie müsse sich hinlegen, nur ganz kurz. Ich solle Papa nicht stören, er habe zu arbeiten. Wenn er nicht aufpasse, würde der Lehrling bestimmt alles verderben.
    »Es lohnt sich auch gar nicht: Bevor am Mittag die Kanone auf der Festung abgefeuert wird, werde ich mich schon wieder besser fühlen«, flüsterte sie. »Ich verspreche es dir.«
    »Darf ich mich neben dich legen?«, fragte ich.
    »Ja.« Sie machte Platz für mich auf dem Sofa. Offenbar sah sie mir an, wie verängstigt ich war, denn sie streichelte meine Wange und ließ mich schwören, dass ich mir keine Sorgen machen würde. Ich war fünfzehn und wusste noch nichts von Versprechen, die nicht zu halten waren, von schlotternder Angst, die sich nicht vertreiben ließ.
    Gegen Abend starb sie.
    In den Tagen danach wankte ich durch die schweigenden Räume, voller Schrecken und Verzweiflung. Nichts als Stille war zu hören, aber ich war besessen von dem Gedanken, ich könnte Mama immer noch zu fassen bekommen, wenn ich mich beeilte. Manchmal spürte ich ihre Gegenwart, ihren seidigen Kuss, einen zärtlichen Händedruck. »Ich muss dir noch etwas sagen, Basień
ka«, raunte ihre sanfte Stimme. »Etwas Wichtiges. Etwas, das du wissen musst.«
    Ich drehte mich nicht nach der Stimme um, ich wollte nicht sehen, dass da nichts war.
     
    In den langen leeren Tagen nach Mamas Tod lernte ich das Lauschen.
    »Nimm sie dir«, hörte ich ein Dienstmädchen zu einem anderen sagen. Sie zeigte auf ein Paar mit Rosen bestickte Seidenstrümpfe, die meiner Mutter gehört hatten. »Der Herr merkt es nicht.«
    In den Ecken sammelten sich Staubflusen, während Mädchen miteinander schwatzten, als wäre ich gar nicht da. Auf der Straße sah ich eine Frau, die eine Haube und eine Schärpe meiner Mutter trug. Auch zwei silberne Krüge fehlten.
    Vor Kindern nehmen sich die Leute weniger in Acht. Sie lassen verräterische Hinweise fallen, die wie die Brotkrumen im Märchen den Weg weisen. Manchmal flüstern sie, aber ich hatte schon immer ein ausgezeichnetes Gehör. Manchmal wechseln sie die Sprache, aber in Fremdsprachen war ich schon immer gut.
    »Was soll das bringen?«, sagte Papa, als ich ihn bat, den Schrank des Dienstmädchens zu durchsuchen. »Deine Mutter wird davon nicht wieder lebendig.«
    Das Mädchen, das sich die Seidenstrümpfe genommen hatte, war die Erste, die krank wurde. Sie klagte über Bauchschmerzen, und ihr Gesicht war feuerrot vom Fieber. »Ich hab es schon immer gesagt: Es kommt nichts Gutes dabei raus, wenn man sich mit Ausländern einlässt«, murmelte ihr Vater, als er mit einem Karren kam, um ihre Leiche abzuholen. Bevor er ging, spuckte er aus und schüttelte drohend die Faust. Das nächste Opfer war der Lehrling des Metzgers in unserer Straße: Als er am Morgen aufwachte, war sein ganzer Rücken von einem Ausschlag wund, als hätten ihn nachts Dämonen gegeißelt.
    Es sei alles unsere Schuld, hörte ich in den folgenden Tagen immer wieder Leute sagen. Die giftig zischelnden

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