Der Winterschmied
Wir-sind-die-Größten war noch mehr Kreide aus der Wand geschabt worden, um einen Tunnel zu schaffen, etwa anderthalb Meter hoch und ebenso lang.
Davor stand Roland de Chumsfanleigh (dafür konnte er nichts). Seine Vorfahren waren Ritter gewesen, und die hatten sich in den Besitz des Kreidelands gebracht, indem sie die Könige töteten, die sich für seine Eigentümer hielten. Damals ließ sich das alles nur mit Schwertern bewerkstelligen. Mit Schwertern und Köpfeabschlagen. So war man in der alten Zeit zu Land gekommen, und dann wurden die Regeln geändert, und plötzlich brauchte man kein Schwert mehr für den Besitz von Land, sondern nur noch ein Stück Papier. Aber Rolands Vorfahren hatten ihre Schwerter sicherheitshalber behalten, für den Fall, dass die Leute die Sache mit dem Papier für unfair hielten, denn immerhin konnte man es nie allen recht machen.
Er hatte sich immer gewünscht, gut mit einem Schwert umgehen zu können, und es war wie ein Schock gewesen, als er feststellen musste, wie schwer so ein Ding war. Beim Luftschwert war er ein wahrer Meister.
Vor dem Spiegel konnte er gegen sein Spiegelbild kämpfen und fast jedes Duell gewinnen. Mit einem echten Schwert ging so etwas nicht. Wenn man damit ausholte, riss es einen um. Roland gelangte allmählich zu dem
Schluss, dass Papiere vielleicht eher was für ihn waren. Außerdem brauchte er eine Brille, was unter einem Helm problematisch sein konnte, insbesondere dann, wenn man selbst mit einem Schwert angegriffen wurde.
Er trug jetzt einen Helm und hielt ein Schwert in der Hand, das viel zu schwer für ihn war, was er natürlich nie zugegeben hätte. Hinzu kam ein Kettenhemd, in dem er kaum gehen konnte. Die Größten hatten sich alle Mühe gegeben, es seiner Körpergröße anzupassen, aber der Schritt hing bis zu den Knien hinab und schlackerte ulkig, wenn er sich bewegte.
Ich bin kein Held, dachte er. Ich habe ein Schwert, das ich nur mit beiden Händen heben kann, und einen Schild, der ebenfalls sehr schwer ist, und ich habe ein Pferd mit Gardinen drum herum, das ich zu Hause lassen musste (und meine Tanten rasten sicher völlig aus, wenn sie den Salon betreten), aber innen drin bin ich ein Junge, der gern wissen möchte, wo's zum Klo geht...
Aber sie hat mich vor der Feenkönigin gerettet. Wenn sie das nicht getan hätte, wäre ich noch immer ein dummer Junge anstatt... ahm... ein junger Mann, der hofft, nicht allzu dumm zu sein.
Die Wir-sind-die-Größten hatten sich einen Weg durch den nächtlichen Schneesturm gekämpft und waren in sein Zimmer zurückgestürmt, und jetzt, so sagten sie, war es an der Zeit, dass er für Tiffany zum Helden wurde...
Nun, er war dazu bereit, so viel stand fest. Ganz klar. Aber er hatte sich die Sache irgendwie anders vorgestellt. »Das sieht aber nicht nach dem Eingang zur Unterwelt aus«, sagte er.
»Oh, jede Höhle kann 'n Eingang sein«, erwiderte Rob Irgendwer, der auf Rolands Helm saß. »Aber man muss das Geheimnis des Wackelschritts kennen. Na schön, Großer Yan, du als Erster...«
Der Große Yan trat an das Kreideloch heran. Er streckte die Arme nach hinten und winkelte sie an. Er lehnte sich nach hinten, wobei er ein Bein ausstreckte, um das Gleichgewicht zu halten. Dann wackelte er einige Male mit dem Fuß in der Luft, beugte sich vor und verschwand, sobald der Fuß den Boden berührte.
Rob Irgendwer hämmerte mit der Faust an Rolands Helm.
»Also los, großer Held!«, rief er. »Auf in die Unterwelt!«
Es gab keinen Weg hinaus. Tiffany wusste nicht einmal, ob es einen Weg herein gab.
»Wenn du die Sommerfrau wärst, würden wir tanzen«, sagte der Winterschmied. »Aber ich weiß jetzt, dass du es nicht bist, obwohl du es zu sein scheinst. Doch um deinetwillen bin ich nun ein Mensch, und ich brauche Gesellschaft.«
Tiffanys Gedanken rasten, und im Kopf sah sie Bilder: die keimende Eichel, ihre fruchtbaren Füße, das Füllhorn. Ich bin gerade genug Göttin, um einige Dielenbretter, eine Eichel und eine Hand voll Samen zu täuschen, dachte sie.
Ich bin wie er. Genug Eisen für einen Nagel macht einen Schneemann nicht zum Menschen, und zwei Eichenblätter machen mich nicht zu einer Göttin.
»Komm«, sagte der Winterschmied, »lass mich dir meine Welt zeigen. Unsere Welt.«
Als Roland die Augen öffnete, sah er nur Schatten. Nicht die Schatten von Dingen - nur Schatten, die wie Spinnweben dahinschwebten.
»Ich habe gedacht, es würde hier... heißer sein«, sagte er und versuchte,
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