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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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seine Erleichterung nicht durchklingen zu lassen. Um ihn herum erschienen überall kleine blaue Männer aus dem Nichts.
    »Ah, du denkst an Höllen«, sagte Rob Irgendwer. »Da geht's recht brutzelig zu, stimmt schon. Unterwelten hingegen sin' eher düster. Dort enden die Leute, wenn sie sich verirren, weißte.«
    »Was? Du meinst, wenn man in einer dunklen Nacht die falsche Abzweigung nimmt...«
    »Oh, nein! Ich meine, wenn die Leute tot sin' und es eigentlich gar nich' sein sollten, un' wenn es für sie keinen anderen Ort gibt, wohin sie gehen können, oder wenn sie durch 'ne Lücke in der Welt fallen un' den Weg nich' kennen. Manche von ihnen begreifen nich' einmal, wo sie sin', die armen Seelen. Passiert immer wieder, so was. Un' in einer Unterwelt gibt's nich' viel zu lachen. Diese hieß einmal Limbo, weil die Eingangstür sehr niedrig war. Seit unserm letzten Besuch scheint's mit ihr ziemlich bergab gegangen zu sein.« Er hob die Stimme. »Un' ein Applaus für den jungen Kleinen Gefährlichen Stachel, der uns zum ersten Mal begleitet!« Ein rauer Jubel erklang, und der Kleine Gefährliche Stachel winkte mit seinem Schwert.
    Roland bahnte sich einen Weg durch die Schatten, die ihm tatsächlich Widerstand entgegensetzten. Die Luft war grau hier unten. Manchmal hörte er ein Stöhnen, oder ein Husten in der Ferne... oder Schritte, die sich ihm näherten.
    Er zog sein Schwert und spähte durch die Düsternis.
    Die Schatten teilten sich, und eine sehr alte Frau in einem zerrissenen, abgewetzten Kleid schlurfte vorbei und zog einen großen Karton hinter sich her. Er hüpfte auf und ab, während sie daran zerrte. Sie würdigte Roland keines Blickes.
    Er ließ das Schwert sinken.
    »Ich dachte, hier gäbe es Ungeheuer«, sagte er, als die Alte in der Düsternis verschwand.
    »Ja«, erwiderte Rob Irgendwer grimmig. »Es gibt sie tatsächlich. Denk an was Festes, ja?«
    »An was Festes?!«
    »Im Ernst! Denk an 'nen hübschen großen Berg oder 'nen Hammer! Was auch immer du machst, du darfst nich'
    wünschen, bedauern oder hoffen!«
    Roland schloss die Augen und hob dann die Hand, um sie zu berühren.
    »Ich kann noch immer sehen! Obwohl meine Augen geschlossen sind!«
    »Ja, und mit geschlossenen Augen siehst du sogar noch mehr. Sieh dich um, wenn du dich traust!«
    Mit gesenkten Lidern trat Roland einige Schritte vor und blickte sich um. Nichts schien sich verändert zu haben. Vielleicht war es noch ein wenig düsterer. Und dann sah er es: ein orangefarbenes Blitzen, eine Linie in der Dunkelheit, die sich mal zeigte und mal nicht.
    »Was war das?«, fragte er.
    »Wir wissen nich', wie sie heißen«, antwortete Rob. »Wir nennen sie Bogels oder Irrwichte.«
    »Es sind Lichtblitze?«
    »Oh, der eben war weit entfernt«, sagte Rob. »Wenne einen aus der Nähe sehen willst... Er steht direkt neben dir.«
    Roland wirbelte herum.
    »Ach, da hast du 'nen typischen Fehler gemacht«, sagte Rob im Plauderton. »Du hast die Augen geöffnet!« Roland schloss die Augen wieder. Der Bogel stand fünfzehn Zentimeter von ihm entfernt.
    Er zuckte nicht zusammen. Er schrie nicht. Schließlich wusste er, dass hunderte von kleinen blauen Männern ihn beobachteten.
    Zuerst dachte er: Es ist ein Skelett. Als der Bogel erneut aufblitzte, sah er wie ein Vogel aus, wie ein großer Vogel in der Art eines Reihers. Dann wurde er zu einem Strichmännchen, wie von einem Kind gezeichnet.
    Immer wieder zeichnete er sich selbst in die Dunkelheit, mit dünnen, brennenden Linien.
    Er zeichnete sich einen Mund und beugte sich vor, um hunderte von nadelspitzen Zähnen zu zeigen. Dann verschwand er.
    Ein Murmeln kam von den Größten.
    »Gut gemacht«, lobte Rob Irgendwer. »Du hast ihm in den Mund geschaut und bis' keinen Schritt zurückgewichen.«
    »Ich war zu entsetzt, um wegzulaufen, Herr Irgendwer«, erwiderte Roland.
    Rob Irgendwer beugte sich zum Ohr des Jungen hinunter.
    »Ja«, flüsterte er. »Das kenne ich gut! Es gibt viele Män ner, die zu Helden wurden, weil sie zu entsetzt waren, um wegzulaufen! Aber du hast nich' geschrien und dir nich' in die Hose gemacht, und das is' gut. Bestimmt laufen uns noch mehr Bogels über den Weg. Lass sie nich' in deinen Kopf rein! Sorg dafür, dass sie draußen bleiben!«
    »Wie bitte? Was machen sie denn mit... ? Nein, sag es mir nicht!«, stieß Roland hervor.
    Er schritt durch die Schatten und blinzelte, damit ihm nichts entging. Die alte Frau war fort, aber die Düsternis füllte sich mit Leuten. Die meisten

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