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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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dünnen Ledergeschirr weiter oben, zog daran und spürte, wie die Krallen ihn sachte losließen. Dann hangelte er sich im Wind hoch, streckte den Arm über die Federn des Vogels hinweg und bekam den Gürtel des Piloten Hämisch zu fassen.
    »Rob meint, du bis' alt genug für die Unterwelt«, sagte Ha misch über seine Schulter hinweg. »Rob holt den Helden. Du hast großes Glück, kleiner Junge.«
    Der Bussard ging in Schräglage.
    Unten... floh der Schnee. Er schmolz nicht, sondern wich von den Lammungspferchen zurück wie das Meerwasser bei Ebbe oder wie ein tiefes Luftholen, das nur wie ein Seufzen klingt.
    Morag glitt über das Lammungsfeld, auf dem sich Männer verwirrt umsahen. »Ein totes Schaf und ein Dutzend tote Lämmer«, sagte Hämisch. »Aber keine große kleine Hexe! Er hat sie mitgenommen.«
    »Wohin?«
    Hämisch steuerte Morag in einem weiten Kreis nach oben. Im Bereich der Farm schneite es nicht mehr, aber anderenorts kam der Schnee noch immer wie ein weißer Hammer herunter.
    Und dann nahm er Gestalt an.
    »Dort oben«, sagte Hamisch.
     
    Na schön, ich lebe noch. Da bin ich ziemlich sicher.
    Ja-
    Und ich fühle die Kälte um mich herum, aber ich friere nicht, was für andere Leute schwer zu verstehen wäre. Und ich kann mich nicht bewegen. Überhaupt nicht.
    Alles um mich herum ist weiß. Und das gilt auch für das Innere meines Kopfes.
    Wer bin ich?
    Ich erinnere mich an den Namen Tiffany. Ich hoffe, das war ich.
    Alles um mich herum ist weiß. Das ist schon einmal geschehen. Es war eine Art Traum oder Erinnerung oder etwas anderes, für das ich kein geeignetes Wort weiß. Überall
    um mich herum fiel das Weiß. Es türmte sich um mich herum auf und hob mich hoch. Es war... das Kreideland, das stumm unter uralten Meeren entstand.
    Das bedeutet mein Name.
    Er bedeutet: Land unter Welle.
    Und wie eine Welle kehrten die Farben in ihre Gedanken zurück. Vor allem das Rot des Zorns.
    Wie konnte er es wagen!
    Die Lämmer zu töten!
    Oma Weh hätte das nicht zugelassen. Sie verlor nie ein Lamm. Sie konnte sie ins Leben zurückholen.
    Ich hätte diesen Ort gar nicht erst verlassen dürfen, dachte Tiffany. Vielleicht hätte ich bleiben und versuchen sollen, mir alles selbst beizubringen. Aber wenn ich nicht gegangen wäre, wäre ich dann noch immer ich?
    Wüsste ich dann, was ich jetzt weiß? Wäre ich so stark geworden wie meine Großmutter, oder wäre ich zu einer Gacklerin geworden? Nun, jetzt werde ich stark sein.
    Wenn das mörderische Wetter nur blinder Natur entsprang, konnte man bloß fluchen, aber wenn es auf zwei Beinen herumlief... dann war es Krieg. Und jetzt würde er sie kennen lernen!
    Tiffany versuchte, sich zu bewegen, und das Weiß gab nach. Es fühlte sich wie harter Schnee an, aber nicht kalt. Es fiel von ihr ab und hinterließ ein Loch.
    Ein glatter, leicht transparenter Boden erstreckte sich vor ihr. Große Säulen reichten zu einer Decke empor, die sich über einer Art Nebel verbarg.
    Ringsherum waren Wände, die aus der gleichen Substanz bestanden wie der Boden. Sie schienen aus Eis zu sein - Tiffany konnte sogar kleine Luftblasen darin erkennen -, aber sie fühlten sich nicht besonders kalt an.
    Der Raum war sehr groß und enthielt keinerlei Möbel. Es war die Art von Raum, die ein König bauen ließ, um damit auzudrücken: »Seht nur, ich kann es mir leisten, all diesen Platz zu vergeuden!«
    Das Geräusch von Tiffanys Schritten hallte von den Wänden wider, als sie losging und die Umgebung erforschte. Sie fand nicht einmal einen Stuhl. Und wie bequem wäre er schon gewesen, wenn sie einen entdeckt hätte?
    Schließlich stieß sie auf eine Treppe, die nach oben führte (beziehungsweise nach unten, wenn man oben stand). An sie schloss sich ein weiterer Saal an, in dem es wenigstens Möbel gab. Es waren Sofas von der Art, auf der sich gewöhnlich reiche Frauen rekeln, die müde, aber schön aussehen. Oh, und es gab Urnen, recht große Urnen, und auch Statuen, alle aus diesem warmen Eis. Die Statuen stellten Athleten und Götter dar und ähnelten damit den Bildern in Buchfinks Mythologie. Sie machten altertümliche Dinge, warfen zum Beispiel Speere oder töteten mit bloßen Händen riesige Schlangen. Sie trugen keinen Fetzen am Leib, aber alle Männer hatten Feigenblätter, die sich, wie Tiffany bei einer kurzen Überprüfung feststellte, nicht lösen ließen.
    Und es brannte ein Feuer. Daran war einerseits seltsam, dass die Scheite ebenfalls aus dem warmen Eis bestanden, und

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