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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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andererseits: Die Flammen waren blau - und kalt.
    Die Fenster in dieser Etage liefen spitz zu, aber sie begannen ein ganzes Stück über dem Boden und zeigten nur den Himmel, an dem die bleiche Sonne wie ein Geist zwischen den Wolken schwebte.
    Eine weitere Treppe führte in ein Stockwerk mit noch mehr Statuen, Sofas und Urnen. Wer konnte an einem solchen Ort wohnen? Jemand, der nicht essen oder schlafen musste. Jemand, der sich keine Bequemlichkeit wünschte.
    »W interschmied!«
    Tiffanys Stimme hallte von Wand zu Wand, mit einem »... IED... Ied... ied...«, das schließlich verklang.
    Noch eine Treppe, und diesmal fand Tiffany etwas Neues. Auf einer Plinthe, vielleicht für eine Statue bestimmt, lag eine Krone. Besser gesagt, sie lag nicht darauf, sondern schwebte einen halben Meter darüber, drehte sich langsam und glitzerte wie Raureif. Etwas weiter entfernt stand eine Statue, kleiner als die anderen, aber umgeben von blauen, grünen und goldenen Lichtern, die schimmernd tanzten.
    Sie sahen aus wie die Mittlichter, die man im tiefsten Winter manchmal über den Bergen im Zentrum der Welt beobachten konnte. Manche Leute hielten sie für lebendig.
    Die Statue war genauso groß wie Tiffany.
    »Winterschmied!« Noch immer keine Antwort. Ein hübscher Palast, ohne Küche, ohne Bett... Aber warum auch? Er musste nicht essen oder schlafen. Für wen war der Palast bestimmt?
    Tiffany kannte die Antwort bereits: Für mich.
    Sie streckte die Hand nach den tanzenden Lichtern aus, und sie glitten über ihren Arm, breiteten sich um ihren Körper aus und schufen ein Kleid, das wie der Mondschein auf Schnee glitzerte. Tiffany war erst verblüfft und dann verärgert. Und dann wünschte sie sich einen Spiegel, bekam ein schlechtes Gewissen, reagierte darauf mit neuem Ärger und beschloss: Wenn sie rein zufällig einen Spiegel fand, so wollte sie nur deshalb hineinblicken, um festzustellen, wie verärgert sie war.
    Nachdem sie eine Zeit lang gesucht hatte, fand sie tatsächlich einen Spiegel: eine Eiswand so grün, dass sie fast schwarz war.
    Sie sah sehr verärgert aus. Aber sie glitzerte auch wunder schön. Überall funkelten goldene, blaue und grüne Punkte, wie in klaren Winternächten am Himmel.
    »Winterschmied!«
    Bestimmt beobachtete er sie. Er konnte überall sein.
    »Also gut! Ich bin hier! Das weißt du!«
    »Ja, ich weiß«, sagte der Winterschmied hinter ihr.
    Tiffany wirbelte herum und versetzte ihm erst mit der einen und dann mit der anderen Hand eine Ohrfeige. Genauso gut hätte sie versuchen können, einen Felsen zu ohrfeigen. Er lernte jetzt schnell.
    »Das ist für die Lämmer«, sagte Tiffany und schüttelte die schmerzenden Hände. »Wie kannst du es wagen! Das war nicht nötig!«
    Der Winterschmied wirkte jetzt viel menschlicher. Entweder trug er echte Kleidung, oder er hatte sich große Mühe gegeben, sie echt aussehen zu lassen. Er war sogar... nun, attraktiv. Nicht mehr kalt, nur noch... cool.
    Er ist nichts weiter als ein Schneemann, protestierten ihre Zweiten Gedanken. Denk daran. Er ist nur zu schlau, Kohlen für die Augen und eine Möhre für die Nase zu benutzen.
    »Autsch«, sagte der Winterschmied, als wäre ihm gerade eingefallen, dass man in so einem Fall so etwas sagte. »Ich verlange, dass du mich gehen lässt!«, fauchte Tiffany. »Jetzt sofort.« So ist es richtig, meinten ihre Zweiten Gedanken. Du möchtest, dass er sich hinter den Stieltöpfen im obersten Küchenregal versteckt. Sozusagen...
    »In diesem Moment bin ich ein Sturm, der tausend Meilen entfernt Schiffe zertrümmert«, sagte der Winterschmied ganz ruhig. »Ich lasse Wasserrohre an einem schneebedeckten Ort platzen. Ich gefriere den Schweiß auf der Stirn eines Sterbenden, der sich in einem schrecklichen Schnee sturm verirrt hat. Ich krieche leise unter Türen durch. Ich hänge von Dachrinnen. Ich streichele den Pelz des schlafenden Bären tief in seiner Höhle und fließe im Blut der Fische unterm Eis.«
    »Das ist mir egal!«, erwiderte Tiffany. »Ich wollte hier nicht her! Und auch du solltest nicht hier sein!«
    »Gehst du mit mir, Kind?«, fragte der Winterschmied. »Ich tue dir nichts. Hier bist du sicher.«
    »Vor was?«, fragte Tiffany. Wenn man zu viel Zeit mit Fräulein Tick verbrachte, blieb das nicht ohne Einfluss auf die eigene Ausdrucksweise, und deshalb änderte sie ihre Frage zu: »Wovor?«
    »Vor dem Tod«, antwortete der Winterschmied. »Hier wirst du nie sterben.«
    Hinten in der Kreidegrube der

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