Der Winterschmied
dabei halfen.
Es war nämlich so... also, das Ding war... nun, wen hatten sie denn sonst? Roland konnte sich als Sohn des Barons unmöglich mit den Dorfkindern anfreunden. Aber Tiffany trug jetzt einen spitzen Hut, und das zählte etwas. Die Leute des Kreidelands hielten nicht viel von Hexen, doch sie war immerhin Oma Wehs Enkelin. Bestimmt hatte sie von der Alten oben in ihrer Schäferhütte viel gelernt. Und es heißt, dass sie den Hexen in den Bergen gezeigt hat, was der Sinn der Hexerei ist, stimmt's? Erinnert ihr euch an das Ablammen im letzten Jahr? Allein mit ihrem Blick hat sie halbtote Lämmer ins Leben zurückgeholt! Und sie ist eine Weh, und die Wehs haben das Hügelland in den Knochen. Sie ist in Ordnung. Sie ist eine von uns.
Und das war schön, nur dass sie jetzt keine alten Freunde mehr hatte. Die Kinder daheim, die zuvor mit ihr befreundet gewesen waren, erfüllte ihr Hut jetzt mit Respekt. Etwas stand zwischen ihnen, so als wäre sie erwachsen geworden und die anderen nicht. Worüber konnten sie reden? Tiffany hatte Orte besucht, die sie sich überhaupt nicht vorstellen konnten. Die meisten der Kinder waren nicht einmal in Zweihemden gewesen, nur eine halbe Tagesreise entfernt. Und das störte sie überhaupt nicht. Sie würden die Arbeit machen, die schon ihre Väter machten, oder Kinder großziehen wie ihre Mütter. Und daran gibt es nichts auszusetzen, fügte Tiffany in Gedanken rasch hinzu. Aber sie trafen keine Entscheidungen. Sie ließen die Dinge einfach geschehen, ohne Kenntnis von ihnen zu nehmen.
So war es auch in den Bergen. Die einzigen Gleichaltrigen, mit denen sie richtig reden konnte, waren andere Hexenschülerinnen wie Annagramma und die übrigen Mädchen. Es hatte keinen Zweck zu versuchen, mit den Dorfbewohnern zu sprechen, und das galt insbesondere für die Jungen. Sie blickten einfach nur zu Boden, nuschelten irgendwas und scharrten mit den Füßen, wie die Leute daheim, wenn sie mit dem Baron reden
mussten.
Nun, Roland machte das ebenfalls, und er wurde jedes Mal rot, wenn sie ihn ansah. Wenn sie das Schloss besuchte oder im Hügelland mit ihm spazieren ging, lastete ein viel deutiges Schweigen auf ihnen... so ähnlich wie bei der Begegnung mit dem Winterschmied.
Tiffany las den Brief aufmerksam durch und bemühte sich, die vielen schmutzigen Fingerabdrücke der Größten zu übersehen. Roland war so freundlich gewesen, einige leere Blätter Papier hinzuzufügen.
Sie strich eins ganz sorgfältig glatt, blickte eine Zeit lang an die Wand und begann dann zu schreiben.
Unten in der Spülküche war Horace der Käse hinter dem Schmutzwassereimer hervorgekrochen. Er befand sich jetzt vor der Hintertür. Wenn ein Käse nachdenklich aussehen kann, so tat Horace das jetzt.
In dem kleinen Ort Zweihemden hatte der Fahrer der Postkutsche ein Problem. Der Großteil der Post aus der Gegend um Zweihemden landete im dortigen Souvenirladen, der auch als Postamt diente.
Normalerweise holte der Kutscher nur den Postsack ab, doch das erwies sich an diesem Tag als schwierig. Verzweifelt blätterte er in dem Buch mit den Postvorschriften.
Fräulein Tick klopfte mit dem Fuß auf den Boden. Das zerrte an seinen Nerven.
»Ah, ah, ah«, sagte der Kutscher triumphierend. »Hier steht: keine Tiere, Vögel, Drachen oder Fische!«
»Und zu welcher Kategorie gehöre ich deiner Meinung nach?«, fragte Fräulein Tick eisig.
»Ah, nun, der Mensch ist doch eine Art Tier, oder? Ich meine, man schaue sich nur die Affen an.«
»Ich habe kein Interesse daran, mir irgendwelche Affen anzuschauen«, sagte Fräulein Tick. »Ich habe gesehen, was sie alles anstellen können.«
Der Kutscher erkannte, dass dies nicht die richtige Taktik war. Energisch blätterte er in dem Buch, und dann strahlte er.
»Ah, ah, ah!«, sagte er. »Wie viel wiegst du, Fräulein?«
»Dreißig Gramm«, antwortete Fräulein Tick. »Was zufälligerweise das maximale Gewicht von Briefen ist, die man für zehn Cent nach >Lancre und die nahe Umgebung< schicken kann.« Sie deutete auf die beiden Briefmarken an ihrem Revers. »Ich bin bereits frankiert.«
»Du kannst unmöglich nur dreißig Gramm wiegen!«, sagte der Kutscher. »Ich schätze dein Gewicht auf mindestens sechzig Kilo!«
Fräulein Tick seufzte. So etwas hatte sie vermeiden wollen, aber Zweihemden war nicht Hundekrumm. Dieser Ort lag an der Hauptstraße, und von hier aus sah man die Welt vorbeiziehen. Sie griff nach oben und drückte den Knopf, der ihren Hut in die
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