Der Winterschmied
und war ganz offensichtlich erfreut. »Das mit den Blumen wusste
ich noch nicht. Nett. Und hast du auch gehört, dass ich in der dunklen Zeit des Jahres des Nachts umherwandele und diejenigen, die brave Bürger waren, mit einer Börse voll Silber belohne? Und dass ich denen, die böse gewesen sind, mit dem Daumennagel den Bauch aufschlitze, etwa so?«
Tiffany schreckte zurück, als eine faltige Hand sie herumdrehte und Fräulein Verrats gelber Daumennagel knapp an ihrem Bauch vorbeisäbelte. Die alte Hexe sah furchterregend aus.
»Nein! Nein, davon habe ich nichts gehört!«, brachte Tiffany hervor, den Rücken an die Küchenspüle gepresst. »Was? Dabei ist es eine wundervolle Geschichte, mit einem wahren, historisch belegten Kern!«, sagte Fräulein
Verrat, und ihre finstere Miene verwandelte sich in ein Lächeln. »Und ist dir bekannt, dass manche Leute behaupten, ich hätte einen Kuhschwanz?«
»Einen Kuhschwanz? Nein!«
»Wirklich nicht? Wie ärgerlich«, sagte Fräulein Verrat und ließ den Finger sinken. »Ich fürchte, um die Kunst des Geschichtenerzählens ist es hier in unserer Gegend nicht mehr sehr gut bestellt. Ich muss wirklich etwas dagegen unternehmen.«
»Dies ist eine andere Art von Boffo, nicht wahr?«, fragte Tiffany. Sie war nicht ganz sicher. Mit dem Daumennagel hatte Fräulein Verrat sehr furchteinflößend ausgesehen. Kein Wunder, dass die anderen Mädchen so schnell auf und davon gewesen waren.
»Ah, du hast also doch ein Gehirn. Ja, es stimmt. Boffo, ja. Ein guter Name dafür. Boffo. Die Kunst der Annahmen und Erwartungen. Zeige den Leuten das, was sie sehen möchten, zeige ihnen das, von dem sie glauben, dass es da sein sollte. Immerhin habe ich einen Ruf zu wahren.«
Boffo, dachte Tiffany. Boffo, Boffo, Boffo. Sie ging zu den Schädeln, nahm einen und las das Etikett darunter, so wie vor einem Monat:
Gruselschädel Nr. 1 Preis $ 2,99 Boffos Scherzartikelladen Zehntes-Ei-Straße i Ankh-Morpork »Wenn es zum Lachen ist... ist es ein Boffo!«
»Sehr lebensecht, nicht wahr?«, sagte Fräulein Verrat und klapperte zu ihrem Stuhl zurück. »Wenn man das über einen Totenschädel überhaupt sagen kann! In dem Laden gab es auch einen wundervollen Apparat für die Herstellung von Spinnweben. Man gibt so ein klebriges Zeug hinein, weißt du, und mit ein wenig Übung kann man recht gute Spinnweben daraus machen. Ich kann die kleinen Krabbler nicht ausstehen, aber natürlich brauche ich Spinnweben. Hast du die toten Fliegen bemerkt?«
»Ja«, sagte Tiffany und warf einen Blick an die Decke. »Es sind Korinthen. Ich dachte schon, du hältst dir vegetarische Spinnen.«
»Bravo. Zumindest mit deinen Augen ist alles in Ordnung. Auch mein Hut stammt von dort. >Böse alte Hexe Nummer Drei, ein Muss für Gruselpartys< hieß er, glaube ich. Den Katalog habe ich noch irgendwo, wenn's dich interessiert.«
»Kaufen alle Hexen bei Boffo ein?«, fragte Tiffany.
»Nur ich, zumindest in dieser Gegend. Oh, und die Alte Frau Atemlos drüben in Zweifall hat sich dort ihre Warzen besorgt.«
»Aber... warum?«, fragte Tiffany.
»Ihr wuchsen keine. Der armen Frau wuchsen einfach keine Warzen. Sie hat alles Mögliche versucht, aber ihr Gesicht blieb bis ins hohe Alter so glatt wie ein Babypopo.«
»Nein, ich meine, warum willst du...« Tiffany zögerte und fuhr dann fort: »...den Leuten solche Angst einjagen?«
»Ich habe meine Gründe«, sagte Fräulein Verrat. »Aber in Wirklichkeit tust du doch all das gar nicht, was die Leute sich erzählen, stimmt's? Es kommen keine Könige und Prinzen, um deinen Rat einzuholen, oder?«
»Nein, aber sie könnten zu mir kommen«, erwiderte Fräulein Verrat resolut. »Wenn sie sich im Wald verirren, zum Beispiel. Oh, ich kenne all die Geschichten. Die meisten von ihnen habe ich selbst erfunden!« »Du hast sie selbst erfunden?«
»Ja, natürlich. Warum nicht? Etwas so Wichtiges konnte ich doch keinen Amateuren überlassen.«
»Aber die Leute sagen, dass du den Menschen in die Seele blicken kannst!«
Fräulein Verrat lachte leise. »Ja. Das habe ich nicht erfunden! Aber ich sage dir: Bei einigen meiner Gemeindemitglieder brauche ich ein Vergrößerungsglas! Ich sehe, was sie sehen, ich höre mit ihren Ohren. Ich kenne ihre Väter, Großväter und Urgroßväter. Ich kenne die Gerüchte, Geheimnisse, Geschichten und Wahrheiten. Ich bin ihre Justizia, und ich bin gerecht. Schau mich an. Schau mich genau an.« Tiffany schaute sie an - und sie schaute durch den
Weitere Kostenlose Bücher