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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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schwarzen Mantel hindurch, durch die Schädel, die Spinnweben aus Gummi, die schwarzen Blumen, die Augenbinde und  die Geschichten, und sie sah eine schwerhörige, blinde alte Frau.
    Boffo machte den Unterschied... nicht nur die lächerlichen Scherzartikel, sondern das Boffo-Denken - die Gerüchte und die Geschichten. Fräulein Verrat hatte Macht, weil man sie für mächtig hielt. Es war wie mit dem Hexenhut. Aber für Fräulein Verrat war Boffo noch viel, viel mehr.
    »Eine Hexe braucht keine Hilfsmittel, Fräulein Verrat«, sagte Tiffany.
    »Werd nicht frech, Kind. Hat dir die junge Wetterwachs das nicht erklärt? O ja, man braucht keinen Zauberstab, kein Wirrwarr und nicht einmal einen spitzen Hut, um eine Hexe zu sein. Aber diese Dinge helfen der Hexe, ihre Schau abzuziehen! Die Leute erwarten das. Wenn sie solche Dinge sehen, glauben sie an die Hexe. Ich wäre nicht dort, wo ich heute bin, wenn ich eine Pudelmütze und eine Küchenschürze getragen hätte! Ich werde meiner Rolle gerecht. Ich...«
    Ein Krachen ertönte von draußen, aus Richtung der Milchkammer.
    »Unsere kleinen blauen Freunde?«, fragte Fräulein Verrat und zog die Brauen hoch.
    »Nein, es ist ihnen strikt verboten, irgendeine Milchkammer zu betreten, in der ich arbeite«, sagte Tiffany und ging zur Tür. »Meine Güte, hoffentlich ist es nicht Horace...«
    »Ich habe ja gesagt, dass er uns nur Scherereien machen wird, nicht wahr?«, rief Fräulein Verrat ihr nach, als sie forteilte.
    Es war Horace. Er hatte sich wieder aus seinem Käfig gezwängt. Er konnte ziemlich flüssig werden, wenn er wollte.
    Auf dem Boden lag ein zerbrochener Butterteller. Er war voller Butter gewesen, doch jetzt war er leer. Nur ein Schmierfleck erinnerte noch an sie.
    Und aus der Dunkelheit unter der Spüle kam ein seltsames Brummen, das sich anhörte wie Mnnammnamm-namm...
    »Ach, jetzt hast du es auf Butter abgesehen, Horace?«, fragte Tiffany und nahm den Besen. »Das ist praktisch Kannibalismus, weißt du.«
    Aber es war immer noch besser als Mäuse, musste sie zugeben. Sie hatte es als ein wenig beunruhigend empfunden, kleine Mäuseknochen auf dem Boden zu finden. Nicht einmal Fräulein Verrat hatte diese Sache klären können. Eine Maus, mit deren Augen sie zufällig sah, hatte versucht, an den Käse heranzukommen, und dann war es plötzlich dunkel geworden.
    Denn der Käse war Horace.
    Tiffany wusste, dass der Schimmelkäse aus Lancre dazu neigte, recht lebendig zu sein, und manchmal musste man ihn festnageln, aber... Nun, bei der Käserei war sie sehr geschickt, auch wenn sie dies selbst von sich sagte, und Horace war zweifellos ein Meisterwerk. Die berühmten blauen Adern, die dieser Käsesorte ihre wundervolle Farbe verliehen, waren sehr hübsch, obwohl Tiffany nicht recht wusste, ob es normal war, dass sie im Dunkeln leuchteten.
    Mit dem Besenstiel stocherte sie im Schatten herum. Es knackte, und als sie den Besen zurückzog, fehlten etwa fünf Zentimeter am Ende. Dann hörte sie ein Ptuuuh!, und das fehlende Stück prallte auf der anderen Seite des Raums von der Wand ab.
    »Also gut, du kriegst ab sofort keine Milch mehr«, sagte Tiffany, richtete sich auf und dachte: Der Winterschmied ist  gekommen, um mir das Pferd zurückzugeben. Er hat sich wirklich Mühe gemacht. Hm...
    Das ist... ziemlich beeindruckend, wenn man's recht bedenkt.
    Ich meine, er muss Lawinen und Stürme organisieren und sich neue Formen für Schneeflocken einfallen lassen und so, aber er hat sich die Zeit genommen, hierher zu kommen und mir die Halskette zurückzugeben. Hm...
    Und er stand einfach da.
    Und dann ist er verschwunden. Noch weiter verschwunden, meine ich. Hm...
    Sie ließ den brummelnden Horace unter der Spüle sitzen und kochte Tee für Fräulein Verrat, die wieder am Webstuhl saß. Dann ging sie leise zu ihrem Zimmer hoch.
    Tiffanys Tagebuch war fast acht Zentimeter dick. Annagramma, eine weitere hiesige Hexenschülerin und (mehr oder weniger) eine Freundin von ihr, meinte, dass sie es ihr »Buch der Schatten« nennen und auf Velinpapier schreiben sollte, mit einer der magischen Tinten, die Zakzak Starkimarm zu guten Preisen in seinem magischen Fachgeschäft anbot - oder wenigstens zu Preisen, die er für gut hielt.
    Tiffany konnte sich keine solche Tinte leisten. Man verkaufte die Hexerei nicht; man konnte nur Tauschgeschäfte damit machen. Fräulein Verrat hatte nichts dagegen, dass sie Käse verkaufte, aber Papier war hier oben recht teuer, und die reisenden

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