Der Winterschmied
sagte Nanny Ogg.
»Ja, kann ich mir denken!«, erwiderte Oma Wetterwachs. »Ich nehme an, du wolltest gewisse Wörter benutzen.« Tiffany hörte deutlich die Kursivschrift heraus, die darauf hinwies, dass Nannys Wörter sich nicht für den Gebrauch unter wohlerzogenen Menschen eigneten.
Nanny Ogg stand auf und versuchte, blasiert dreinzuschauen, was schwer ist, wenn man ein Gesicht wie ein fröhlicher Apfel hat.
»Ich wollte Tiffs Aufmerksamkeit hierauf lenken«, sagte sie und nahm einen Gegenstand vom Kaminsims, auf dem es ziemlich eng zuging. Es war ein kleines Haus. Tiffany hatte es sich bereits angeschaut. Es hatte vorn zwei kleine Türen, und im Moment war eine davon geöffnet. Ein winziger hölzerner Mann mit einem Zylinder auf dem Kopf war darin zu sehen.
»Das ist ein Wetterhäuschen«, sagte Nanny und reichte es Tiffany. »Ich weiß nicht, wie es funktioniert - mit besonderen Bindfäden oder so was -, aber ein kleiner Holzmann kommt heraus, wenn es regnet, und eine kleine Holzfrau zeigt sich, wenn die Sonne scheint. Die beiden Gestalten stehen jedoch auf so einer Drehscheibe, verstehst du? Sie können nie zur gleichen Zeit rauskommen. Nie. Und ich frage mich, was passiert, wenn sich das Wetter ändert... Vielleicht sieht der kleine Mann die kleine Frau aus dem Augenwinkel und denkt...«
»Geht es hier um Sex?«, fragte Tiffany.
Fräulein Tick wandte den Blick zur Decke. Oma Wetterwachs räusperte sich. Nanny brach in ein lautes Lachen aus, das selbst den kleinen Holzmann in Verlegenheit gebracht hätte.
»Sex?«, sagte sie. »Zwischen Sommer und Winter? Na, das ist ja mal ein Gedanke...«
»Denk... ihn... nicht«, sagte Oma Wetterwachs streng und wandte sich an Tiffany. »Er ist von dir fasziniert. Und wir wissen nicht, wie viel von der Kraft der Sommerfrau in dir steckt. Sie könnte recht schwach sein. Du musst der Sommer im Winter sein, bis der Winter zu Ende geht«, fügte sie hinzu. »Das ist Gerechtigkeit. Keine Ausflüchte. Du hast deine Wahl getroffen. Man bekommt, was man sich aussucht.«
»Könnte ich nicht einfach zu ihr gehen und ihr sagen, dass es mir leid tut?«, fragte Tiffany.
»Nein«, sagte Oma Wetterwachs und fing wieder an, auf und ab zu gehen. »Die alten Götter geben nicht viel auf Entschuldigungen. Sie wissen, dass das nur Worte sind.«
»Weißt du, was ich glaube, Tiff?«, fragte Nanny. »Ich glaube, sie beobachtet dich. Sie sagt sich: >Wer ist diese eingebildete junge Dame, die in meine Rolle schlüpft? Nun, soll sie eine Zeit lang spielen, mal sehen, wie es ihr gefällt.<«
»Da könnte Frau Ogg durchaus Recht haben«, sagte Fräulein Tick. Sie blätterte in Buchfinks Mythologie. »Die Götter erwarten, dass man für seine Fehler bezahlt.«
Nanny Ogg tätschelte Tiffanys Hand. »Wenn sie sehen möchte, was du kannst... Zeig es ihr, Tiff. Überrasch sie!«
»Meinst du die Sommerfrau?«, fragte Tiffany.
Nanny zwinkerte. »Oh, und auch die Sommerfrau!«
Es folgte ein Laut, als wollte Fräulein Tick loslachen, doch Oma Wetterwachs brachte sie mit einem eisigen Blick zum Schweigen.
Tiffany seufzte. Es war ja ganz nett, über Wahlmöglichkeiten zu reden, aber sie hatte keine Wahl.
»Na schön. Womit muss ich sonst noch rechnen, abgesehen von den... äh, Füßen?«
»Ich sehe gerade nach«, sagte Fräulein Tick, die immer noch in dem Buch blätterte. »Ah... hier steht, dass sie schöner war, ich meine: ist als die Sterne am Himmel...«
Aller Augen richteten sich auf Tiffany.
»Du könntest versuchen, etwas mit deinen Haaren zu machen«, sagte Nanny Ogg nach einer Weile.
»Zum Beispiel?«, fragte Tiffany.
»Irgendwas.«
»Gibt es abgesehen von den Füßen und den Haaren noch etwas?«, fragte Tiffany spitz.
»Hier steht ein Zitat aus einem sehr alten Manuskript: >Sie vandelt im Aprüll durchs Grahs und fület die Biehnenstöke mit süßigem Honing<«, berichtete Fräulein Tick.
»Wie soll ich das anstellen?«
»Keine Ahnung, aber vermutlich geschieht es von allein«, antwortete Fräulein Tick.
»Und die Sommerfrau erntet die Anerkennung dafür?«
»Ich glaube, ihre Existenz allein genügt schon, damit es passiert«, sagte Fräulein Tick.
»Sonst noch etwas?«
»Äh, ja«, sagte Fräulein Tick. »Du musst dafür sorgen, dass der Winter zu Ende geht. Und du musst natürlich mit dem Winterschmied fertig werden.«
»Wie soll ich das anstellen?«
»Wir glauben, dass du einfach... da sein musst«, sagte Oma Wetterwachs. »Ach, vielleicht weißt du ja, was es
Weitere Kostenlose Bücher