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Der Wissenschaftswahn

Der Wissenschaftswahn

Titel: Der Wissenschaftswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Sheldrake
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experimentelle Psychologie hat sich im zwanzigsten Jahrhundert bemüht, durch Betrachtung von außen etwas Objektives über den Geist herauszufinden, sie hat messbares Verhalten und quantifizierbare Reaktionen untersucht. Im typischen behavioristischen Experiment lernen Ratten in Käfigen Hebel zu betätigen, um an Futter zu kommen oder um Unannehmlichkeiten wie Stromschläge abzustellen. In der neueren Forschung geht es vornehmlich um die Erforschung des Gehirns und um Computermodelle der Gehirntätigkeit. In den mystischen Traditionen in Ost und West ergründen die Menschen das Wesen des Geistes durch lange Phasen der Meditation und betrachten die geistigen Prozesse von innen her. Forschungspsychologen und Kognitionswissenschaftler arbeiten dagegen meist mit bezahlten Versuchspersonen, in der Regel Studenten der ersten Semester, die nicht in der Beobachtung und Dokumentation geistiger Prozesse ausgebildet sind. So sieht es auch der buddhistische Gelehrte B. Alan Wallace:

    Die Wissenschaftler überlassen die Introspektion Amateuren und stellen damit sicher, dass die unmittelbare Beobachtung des Geistes auf dem Niveau der volkstümlichen Psychologie bleibt … Kognitionswissenschaftler machen sich das Verständnis geistiger Prozesse zur Aufgabe, nur dass sie im Unterschied zu allen anderen Naturwissenschaftlern nicht im Rahmen einer professionellen Ausbildung lernen, wie die Realitäten, die ihr Forschungsgebiet ausmachen, zu beobachten sind. [622]

    Heutzutage gibt es viele Meditationslehrer, meist aus hinduistischen oder buddhistischen Traditionen, und manche Wissenschaftler haben damit begonnen, sich ein eigenes Bild von ihrem Geist zu machen. [623]
    Die wissenschaftliche Erforschung der Wechselwirkungen von Geist und Körper ist so unterentwickelt wie die Erforschung des Geistes von innen. In der Medizin setzt sich allmählich die Einsicht durch, dass die innere Haltung, wie in der Placeboreaktion erkennbar wird, wichtig für das Heilgeschehen ist, und in Biofeedback-Studien wird deutlich, dass Menschen lernen können, die Durchblutung ihrer Finger und andere normalerweise unbewusste physiologische Vorgänge bewusst zu steuern (siehe Kapitel 10 ). Doch das sind elementare Leistungen, wenn wir zum Vergleich indische Yogis heranziehen, die eine staunenswerte Kontrolle über Verdauungs- und Kreislaufsystem besitzen. Zu diesen Fähigkeiten kommen sie unter anderem durch Atemkontrolle: Die Atmung wird sowohl vom willkürlichen als auch vom unwillkürlichen Nervensystem gesteuert, und die yogischen Atemübungen stellen möglicherweise die verbindende Brücke dar. [624]
    Das aus China stammende Qigong (in alter Schreibweise
Ch’i-kung
) legt ebenfalls großen Wert auf Atemübungen und hat viele Anwendungen in der traditionellen chinesischen Medizin sowie in den Kampfkünsten. Der indische
Prana
und das chinesische
Qi (Ch’i)
werden als »Energie« oder »Lebenskraft« übersetzt, aber es handelt sich um einen anderen Energiebegriff als in der mechanistischen Physiologie. Die naturwissenschaftliche Schulmeinung zur Energieerhaltung in lebenden Organismen bereitet ernste Schwierigkeiten (siehe Kapitel 2 ), und eine Neubewertung der menschlichen Energiebilanz ist längst fällig. Vielleicht ist das ein Gebiet, auf dem sich diese so verschiedenen Traditionen zu einem neuen, alle Aspekte erfassenden Bild verbinden könnten.
    In vielen Gegenden Afrikas und auf dem indischen Subkontinent tragen die Frauen schwere Lasten auf dem Kopf und legen damit weite Strecken zurück. In Ostafrika hat man das näher untersucht, und es zeigte sich, dass die Frauen bis zu 20 Prozent ihres Eigengewichts »ohne zusätzliche Belastung« tragen können, das heißt ohne einen Mehraufwand an Energie gegenüber dem Gehen ohne Last. Sie können bis zu 70 Prozent ihres Eigengewichts mit halb so viel Energieaufwand tragen wie ein amerikanischer Rekrut mit Rückenlast. Das liegt nicht nur am Tragen der Last auf dem Kopf, sondern an einer besonderen Gehweise. [625]
    Diese Fähigkeit wirft eine praktische Frage auf. Warum wird sie nicht Teenagern überall auf der Welt im Rahmen der »Leibeserziehung« beigebracht? Lasten mit möglichst geringem Aufwand tragen zu können ist doch sicher nützlich. Es kann ja auch in diesen modernen Zeiten passieren, dass man schwere Lasten in rauherem Gelände als einem Flughafen bewegen muss und der Rollkoffer einem nichts nützt. Aber so etwas streben wir nicht an, weil es von niederem Status zeugt. Frauen, die

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