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Der Wissenschaftswahn

Der Wissenschaftswahn

Titel: Der Wissenschaftswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Sheldrake
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Lasten auf dem Kopf tragen, leben in Entwicklungsländern und haben nicht viel zu sagen.
    Überheblichkeit lässt viele wissenschaftlich gebildete moderne Menschen annehmen, sie seien allen vorwissenschaftlichen Kulturen, auch im eigenen Land, überlegen. Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts bekam diese Haltung eine wissenschaftliche Begründung, die vor allem mit Evolution und gesellschaftlichem Fortschritt argumentierte. Anthropologen wie James Frazer ( 1854 –1941 ) erkannten am Glauben der Menschen eine dreistufige Entwicklung: Animismus, Religion und Wissenschaft. Primitive Gesellschaften sind nach dieser Auffassung animistisch und kindlich, in ihnen herrscht das magische Denken vor. Religionen wie das Christentum stehen schon eine Evolutionsstufe höher, enthalten aber immer noch viele primitive Elemente. Über beide geht die Wissenschaft hinaus, das Höchste, wozu sich der Menschenverstand erheben kann.
    Weshalb also sollten moderne Menschen lernen wollen, Lasten auf dem Kopf zu tragen, wie es einfache afrikanische Frauen tun? Wie sollten sie von vorwissenschaftlichen Traditionen wie Yoga und Qigong etwas lernen können? Und was sollten uns Schamanen außer Hokuspokus zu bieten haben?

Neue Dialoge mit den Religionen
    Viele neue Möglichkeiten werden sich aus der Befreiung der Wissenschaften von den Fesseln des Materialismus ergeben, darunter auch ganz neue Ansätze des Dialogs mit religiösen Traditionen. [626] Hier ein paar Beispiele.
    Aus statistischen Untersuchungen geht hervor, dass Menschen, die regelmäßig an religiösen Andachtsübungen teilnehmen, tendenziell länger leben, sich einer besseren Gesundheit erfreuen und weniger zu Depressionen neigen als andere, die das nicht tun. Auch scheinen Gebet und Meditation von positiver Auswirkung auf Gesundheit und Lebenserwartung zu sein (siehe Kapitel 10 ). Wie wirken diese Dinge? Ist ihre Wirkung rein psychologisch oder soziologisch zu erklären? Oder ist es so, dass die Einbindung in eine größere spirituelle Realität die Kräfte der Heilung und des Wohlbefindens beflügelt?
    Wenn Organismen, wie einfach oder komplex sie auch sein mögen, ihren eigenen Zielbestimmungen folgen, sollte man annehmen, dass auch die Erde, das Sonnensystem, unsere Galaxie, ja alle Sterne ihr eigenes Leben und ihre eigene Bestimmung haben. Auch für das Universum als Ganzes könnte das gelten (siehe Kapitel 1 ). Im kosmischen Evolutionsprozess selbst könnten Ziele und Zwecke liegen, und der Kosmos könnte einen Geist oder ein Bewusstsein besitzen. Wenn das Universum selbst evolviert, kann man annehmen, dass sich auch sein Geist oder Bewusstsein entwickelt. Ist dieser kosmische Geist Gott? Vielleicht nur dann, wenn man Gott als den pantheistischen Geist des Kosmos oder die Seele der Natur begreift. Nach der christlichen Überlieferung ist die Weltseele nicht mit Gott identisch. Der frühchristliche Theologe Origenes (ca. 184 –253 ) beispielsweise verstand die Weltseele als Logos, der in seiner nie endenden Schöpferkraft die Welt und alles, was in ihr vorgeht, hervorbringt. Der Logos war für Origenes ein Aspekt Gottes, nicht Gott selbst, dessen Sein dem Universum transzendent ist. [627] Wenn es nicht nur ein Universum, sondern viele gäbe, würde das göttliche Sein sie alle einschließen und transzendieren.
    Das Universum evolviert und ist weiterhin Schauplatz der Kreativität. Das Schöpferische beschränkt sich nicht wie im Deismus auf den Beginn des Universums (siehe Kapitel 1 ), sondern begleitet den Evolutionsprozess, wie er sich überall in der Natur, aber auch in den Gesellschaften, den Kulturen und im Geist des Menschen bekundet. Dieses Schöpferische mag letztlich göttlichen Ursprungs sein, trotzdem gibt es keinen Grund, sich Gott als einen äußeren planenden Geist vorzustellen. In der Schöpfungsgeschichte der jüdisch-christlichen Überlieferung hieß Gott die Erde, Pflanzen und Tiere hervorzubringen – ein ganz anderes Bild als der später angenommene göttliche Ingenieur, der eine mechanistische Welt baut. Und was spräche in einem evolvierenden, schöpferischen Universum dafür, dass alle Materie und Energie im allerersten Augenblick erschien, wie es in der Urknalltheorie angenommen wird? Manche Kosmologen vertreten heute die Ansicht, die stetige Ausdehnung des Universums sei durch die kontinuierliche Erzeugung von dunkler Energie aus dem universalen Gravitationsfeld oder Quintessenzfeld bedingt (siehe Kapitel 2 ).
    Wenn die Naturgesetze eher wie

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