Der Wissenschaftswahn
könnten beispielsweise für Quarks stehen, Quarks in Protonen in Atomkernen in Atomen in Molekülen in Kristallen. Oder sie stehen für Organellen in Zellen in Geweben in Organen in Organismen in Gesellschaften von Organismen in Ökosystemen. Sie können auch Planeten in Sonnensystemen in Galaxien in Galaxienhaufen sein. Sogar die Sprache zeigt einen ähnlichen Aufbau von Phonemen in Silben in Wörtern in Ausdrücken in Sätzen.
Abbildung 1: Eine geschachtelte Hierarchie von Ganzheiten oder Holons.
Alle diese geordneten Systeme sind
geschachtelte Hierarchien
. Auf jeder Ebene enthält das Ganze Teile, sie sind buchstäblich in ihm. Aber auf jeder Ebene ist das Ganze auch mehr als die Summe seiner Teile, es besitzt Eigenschaften, die sich nicht aus der isolierten Betrachtung seiner Bestandteile erschließen lassen. Bau und Bedeutung dieses Satzes beispielsweise lassen sich nicht aus einer chemischen Analyse des Papiers und der Druckerschwärze ableiten, auch nicht aus der Häufigkeit der in ihm vorkommenden Buchstaben. Die Anzahl der Bestandteile zu kennen genügt nicht. Der Bau des Ganzen hängt von ihrer Kombination zu Wörtern und von deren Beziehung untereinander ab.
Arthur Koestler führte für Ganzheiten, deren Bestandteile wiederum Ganzheiten sind, den Begriff »Holon« ein:
Jedes Holon besitzt die doppelte Tendenz, einerseits seine Individualität als quasi-autonome Ganzheit zu wahren und zu bekunden und andererseits als integraler Bestandteil einer (existierenden oder evolvierenden) größeren Ganzheit zu fungieren. Diese Polarität von Selbstbehauptung und Integration liegt im Begriff der hierarchischen Ordnung. [98]
Für geschachtelte Hierarchien von Holons führte Koestler den Begriff »Holarchie« ein.
Ganzheiten lassen sich auch im Sinne der Systemtheorie auffassen. Sie spricht von »einer Konfiguration von in ein Beziehungsgeflecht eingebundenen Teilen«. [99] Solche Ganzheiten werden auch als »komplexe Systeme« bezeichnet und sind der Gegenstand einer Reihe mathematischer Modelle unterschiedlicher Namengebung wie »komplexe Systemtheorie«, »Komplexitätstheorie« oder »Komplexitätswissenschaft«. [100]
Um ein Beispiel aus der Chemie zu nehmen, könnten wir an das Benzol denken, dessen Molekül aus sechs Kohlenstoffatomen und sechs Wasserstoffatomen besteht. Jedes dieser Atome ist ein Holon aus dem Kern und den umgebenden Elektronen. Im Benzolmolekül schließen sich die Kohlenstoffatome zu einem Ring zusammen und teilen sich die Elektronen, die den Kohlenstoffring als eine Art Wolke umgeben. Die Schwingungsmuster des Moleküls teilen sich den Atomen mit, und da die Elektronen elektrisch geladen sind, befinden sich die Atome in einem schwingenden elektromagnetischen Feld. Benzol ist bei Raumtemperatur flüssig, kristallisiert jedoch unterhalb 5 , 5 Grad Celsius, und dabei stapeln sich die Moleküle nach einem regelmäßigen dreidimensionalen Muster, der sogenannten Gitterstruktur. Dieses Kristallgitter schwingt ebenfalls in harmonischen Mustern [101] und erzeugt elektromagnetische Felder, die auf das Molekül zurückwirken. Wir haben hier eine geschachtelte Hierarchie der Organisation und darin Interaktionen aufgrund einer geschachtelten Hierarchie von schwingenden Feldern.
Im Verlauf der Evolution erscheinen neue Holons oder Ganzheiten, die es zuvor nicht gab – etwa die ersten Aminosäuremoleküle, die ersten lebenden Zellen, die erste Blume oder der erste Termitenbau. Da Holons Ganzheiten sind, müssen sie durch plötzliche Sprünge entstehen. Neue Organisationsebenen »emergieren«, und ihre »emergenten Eigenschaften« gehen über die der vorher vorhandenen Teile hinaus. Dasselbe gilt auch für neue Ideen oder neue Kunstwerke.
Der Kosmos als ein sich entwickelnder Organismus
Der Philosoph David Hume ( 1711 –1776 ) ist heute vielleicht vor allem für seine skeptische Haltung gegenüber der Religion bekannt. Genauso skeptisch war er aber gegenüber der mechanistischen Naturphilosophie. Aus seiner Sicht beweist nichts im Universum, dass es mehr von einer Maschine als von einem Organismus hat. Die in der Natur erkennbare Ordnung, so schien ihm, ist eher derjenigen von Pflanzen und Tieren vergleichbar als derjenigen von Maschinen. Er wandte sich gegen die Idee eines Maschinen bauenden Gottes und sah es als wahrscheinlicher an, dass die Welt aus so etwas wie einem Samen oder Ei entstanden sei. In seinen eigenen, 1779 posthum veröffentlichten Worten:
Es gibt im Universum andere
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