Der Wissenschaftswahn
ganzen Eisbergs von rückwärts wirkenden Einflüssen sein.
Gibt es in der Evolution eine Zielorientierung?
Hat der Evolutionsprozess insgesamt Ziele oder Attraktoren? Materialisten verneinen das aus Prinzip, was eine zwangsläufige historische Folge der materialistischen Philosophie ist.
Die materialistische Verneinung von Zwecken in der Evolution basiert nicht auf handfesten Beweisen, sondern ist eine Annahme. Aus ideologischen Gründen sind die Materialisten gezwungen, die evolutionäre Kreativität dem bloßen Zufall zuzuschreiben.
Die mechanistische Revolution des siebzehnten Jahrhunderts verbannte Seelen und Zwecke aus der Natur, einzige Ausnahme war der Menschengeist. Alles andere, auch der menschliche Körper, musste mechanistisch aufgrund von aus der Vergangenheit wirkenden Ursachen erklärt werden – einen Zug aus der Zukunft gab es nicht. Die Natur bestand aus Materie in Bewegung, sie folgte ewigen Naturgesetzen und war darin wie eine Maschine, die ewig weiterlaufen würde. Zwecke und Absichten gab es nur beim Menschen und bei Gott.
Mit dem Erstarken des Atheismus und Materialismus zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts fiel auch noch das Göttliche mit seinen Absichten weg, so dass es Zielvorstellungen künftig nur noch beim Menschen gab. Diese menschlichen Ziele gewannen eine ganz neue, weltverändernde Kraft, weil sie durch die naturwissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Entwicklung gebündelt wurden. Die meisten Menschen glaubten damals noch, die Natur sei schon immer so gewesen, wie sie sie kannten, aber die ersten Evolutionstheorien, etwa von Lamarck und Erasmus Darwin, deuteten bereits in eine andere Richtung.
Mit Charles Darwins
Entstehung der Arten
wurde das Konzept der biologischen Evolution zum Gemeingut. Alles Leben, so schien es, entwickelte sich immer weiter. Manche Wissenschaftler und Philosophen meinten in der Evolution die Kreativität der Natur selbst zu erkennen, andere sahen sie als Ausdruck des schöpferischen Wirkens Gottes. Die Atheisten dagegen bestritten jegliches göttliche Wirken und jegliche göttliche Zweckbestimmung in der Evolution.
Der Neodarwinismus, der die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts prägte, führte alles Schöpferische in der Natur auf Zufallsmutationen und die blinden Kräfte der natürlichen Auslese zurück – ein Zusammenspiel von Zufall und Notwendigkeit. Und als sich in den sechziger Jahren die Urknalltheorie durchsetzte, ergab sich aus der materialistischen Denkweise zwangsläufig, dass der gesamte kosmische Evolutionsprozess ebenso ziel- und zweckfrei ist wie die Evolution des biologischen Lebens.
Die naturwissenschaftliche Standardauffassung besagt demnach, dass weder in der kosmischen noch in der biologischen Evolution ein Ziel angelegt ist. Wenn das Universum oder zumindest die Erde gemäß dem kosmologischen anthropischen Prinzip genau die richtigen Bedingungen für biologisches Leben bietet, bedeutet das nicht, dass dem Universum ein Ziel innewohnt. Es gibt unzählige Universen, und unseres bietet zufällig die für biologisches Leben geeigneten Bedingungen.
Schwerkraft in Richtung Zukunft
In Attraktormodellen fungiert, wie wir gesehen haben, die Schwerkraft als Metapher für den Zug in Richtung eines Endpunkts oder Ziels – etwa im Modell des Potenzialtopfs oder bei dynamischen Attraktoren, bei Attraktoren in morphogenetischen Feldern, Chreoden und Attraktoren des Tierverhaltens. Alle diese Veranschaulichungen eines gerichteten Geschehens beziehen ihre Glaubwürdigkeit aus der Erfahrung der Schwerkraft.
Schwerkraft, Gravitation, ist in unserer Erfahrung allgegenwärtig und daher selbstverständlich. Wir leben und weben und haben unser Sein im Gravitationsfeld, wie Fische im Wasser leben. Wenn wir etwas loslassen, fällt es zu Boden. Im aufrechten Gang halten wir beständig gegen die Schwerkraft unser Gleichgewicht. Wenn wir uns zum Schlafen hinlegen, überlassen wir uns ihr. Wenn wir mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug springen, holt uns die Schwerkraft zur Erde zurück. Gravitation ist eine Anziehungskraft, die auf alles in ihrem Einflussbereich einen Zug ausübt. Ein Objekt im Gravitationsfeld wird in Richtung Zukunft gezogen. Gravitation wirkt in Richtung von Zielen, die in der Zukunft liegen, und in diesem Sinne wirkt sie zeitlich rückwärts.
Wenn ein Felsbrocken aus der Wand stürzt, ist »Zug der Schwerkraft aus der Zukunft« keine Metapher, sondern eine Beschreibung. Aber wie sieht es bei der Evolution des
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