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Der Wissenschaftswahn

Der Wissenschaftswahn

Titel: Der Wissenschaftswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Sheldrake
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Universums aus? Wird alles zu einem Schwerkraft-Zielpunkt, einem Attraktor hingezogen? Das gesamte Universum befindet sich im universalen Gravitationsfeld, das nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie nicht
in
Raum und Zeit ist, sondern Raumzeit
ist
. Schwerkraft zieht alles zusammen, und wenn keine ausgleichenden Gegenkräfte wirksam sind, kann Materie in sich selbst zusammenstürzen und Schwarze Löcher bilden, etwa wenn schwere Sterne ausbrennen. Sollten andererseits die Kräfte, die das Universum auseinandertreiben, unterhalb eines kritischen Werts liegen, wird sich das Universum irgendwann wieder zusammenziehen, schneller und schneller, bis es im »Big Crunch«, der Umkehrung des Urknalls, in einem einzigen Schwarzen Loch verschwindet. Das ist der letzte kosmische Attraktor, das Ende, zu dem Gravitation letztlich hinstrebt. Danach wird vielleicht in einem weiteren Urknall ein neues Universum geboren.
    Gegen den kontrahierenden Zug der Schwerkraft wirkt die dunkle Energie, die den Raum selbst expandieren lässt. Sollte es genug von dieser dunklen Energie geben, wird sich der Raum nach Roger Penroses Theorie (siehe Kapitel 2 ) immer weiter und exponentiell ausdehnen, bis alle Strukturen auseinanderfallen. Materie wird verdünnt, bis alles zu einem unterschiedslosen Meer von Photonen und anderen masselosen Teilchen geworden ist. [276] Ein Endstadium, dem laut Penrose dennoch irgendwie die Entstehung des nächsten Universums in einem Urknall folgt.
    Die eine Version lässt alles in einem kosmischen Schwarzen Loch untergehen. Dunkelheit siegt. Die andere sublimiert alles zu grenzenlosem Licht. Hier triumphiert das Licht. Einstweilen erhalten die kontrahierenden und expandierenden Kräfte das Universum aufrecht. Expansive Energie übt von der Vergangenheit her einen Schub aus und gibt dem Universum einen Zeitpfeil, während durch Gravitation alles in Richtung einer künftigen Einheit gezogen wird.
    Alle Organismen im Universum sind wie verkleinerte Entsprechungen dieses kosmischen Geschehens: Vereinigende Felder ziehen sie in Richtung in der Zukunft liegender Attraktoren, während aus der Vergangenheit fließende Energie sie antreibt. Alle Systeme sind in größere Ganzheiten eingebettet – Atome in Moleküle, Organellen in Zellen, Tiere in Ökosysteme, die Erde ins Sonnensystem, das Sonnensystem in die Galaxie, und sie alle besitzen ihre eigenen Zielpunkte und Attraktoren.

Das Schöpferische
    Dieses Universum mit seiner unvorstellbaren Ausdehnung birgt Abermilliarden Galaxien mit Milliarden von Sternen. Es reicht weiter als unser Blick, es geht über den Ereignishorizont hinaus, von dem wir noch Licht oder irgendeine elektromagnetische Strahlung empfangen können. Die Zahl seiner Kristalle, Moleküle und Atome sprengt jede Vorstellungskraft. Auf der Erde haben wir eine erstaunliche Vielfalt an Lebensformen und in der Lebenswelt der Menschen Sprachen, Kulturformen, Gesellschaftsmuster, technische Neuerungen, Romane, Filme, Sportarten, Videospiele und so weiter in unübersehbarer Vielfalt. Fruchtbarkeit, Vielgestaltigkeit und Kreativität gehören offenbar zu den Wesenszügen des Universums. Im Augenblick des Urknalls gab es jedoch keinerlei Vielfalt, sie hat sich erst mit der Zeit gebildet, ebenso wie die Vielschichtigkeit der Organisation.
    Die Materialisten glauben, all das ließe sich letztlich energetisch und als Werk der Naturgesetze und des Zufalls erklären – ohne den Zug von künftigen Zielen oder Attraktoren. Doch das ist nichts weiter als die Bekundung eines Glaubens. Sie können nicht beweisen, dass die Evolution keine Zielpunkte hat, sie nehmen es lediglich an.
    Sollte es in der Evolution Ziele und Zwecke geben, darf man wohl annehmen, dass Vielfalt und Komplexität dazugehören. Ist Kreativität vielleicht ein Zweck, der sich selbst genügt?
    So sehen es evolutionär denkende Philosophen wie Henri Bergson: Der Evolutionsprozess ist auf fortgesetzte Kreativität angelegt – auf echte Kreativität und nicht nur die Abwicklung eines feststehenden Plans. Bergsons Gott war ein Gott, der sich durch den Evolutionsprozess selbst erschafft: »Gott hat nichts vom bereits Gemachten. Er ist nie endende Lebendigkeit, Aktion, Freiheit. So verstandene Schöpfung ist kein Mysterium – wir erleben sie selbst in unserem freien Handeln.« [277] Hinter dieser Kreativität steht für Bergson der »Impetus des Lebens« oder »Strom des Lebens«.
    Doch die Vorstellung einer ewig immer weiter zunehmenden

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