Der Wissenschaftswahn
Komplexität ist so unbefriedigend wie der Gedanke eines ewig expandierenden Universums oder eines endlosen Wirtschaftswachstums. Eine ordentliche Geschichte muss für uns einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende haben.
Die Evolution des Bewusstseins
In allen Religionen spielt das menschliche Bewusstsein eine ganz entscheidende Rolle für die Welt und das Geschick der Menschheit. Im Menschen ist die Teilhabe am höchsten Sein, an Gott, am kosmischen Bewusstsein, am göttlichen Leben oder Nirwana angelegt. Am Beginn aller Religionen steht die unmittelbare Erfahrung dieser Verbindung – bei den Sehern oder
Rishis
des alten Indien, in der Erleuchtung des Buddha, bei den hebräischen Propheten, bei Jesus Christus und Mohammed.
Erfahrungen des Einsseins mit etwas Größerem oder mystische Erfahrungen kommen erstaunlich häufig vor. Die 1963 von dem Biologen Sir Alister Hardy an der Universität Oxford eingerichtete Religious Experience Research Unit stellte fest, dass Tausende Menschen in Großbritannien in dem Gefühl leben, mit etwas in Kontakt zu sein, das größer ist als sie selbst, und bei den meisten von ihnen haben sich mystische Erfahrungen dieser Art als lebensverändernd erwiesen. Weitere Tausende haben Nahtoderfahrungen gemacht, und auch deren Leben hat sich dadurch in den meisten Fällen verändert.
Im Hinduismus und Buddhismus haben wir die überlieferte Lehre von endlos wiederholten individuellen Lebenszyklen und kosmischen Zyklen. Solche Zyklen werden nicht unbedingt als eine stetige Höherentwicklung gesehen, aber der Mensch hat die Möglichkeit, sich mit dem universalen Geist zu verbinden und so den endlosen Kreisläufen zu entkommen.
Der Hinduismus und auch der Buddhismus in seiner ursprünglichen Form sind nicht grundsätzlich auf Evolution angelegt. In der hinduistischen Kosmologie ist es sogar so, dass jeder kosmische Zyklus aus vier Zeitaltern besteht, und nach manchen Berechnungen befinden wir uns gegenwärtig im niedrigsten Zeitalter, dem
Kali-Yuga,
in dem Uneinigkeit und Streit herrschen, die Zivilisation sich im Niedergang befindet und die Menschen Gott besonders fern sind. Im tibetischen Buddhismus finden wir dagegen einen progressiven Verlauf: Erleuchtete Wesen nehmen weitere Inkarnationen auf sich, um sich für die Befreiung aller Lebewesen einzusetzen. Sie werden so lange wiederkommen, bis alle dem Kreislauf von Geburt und Tod entronnen sind. Der indische Weise Sri Aurobindo ( 1872 –1950 ) vertrat eine Philosophie der spirituellen und materiellen Evolution und sah eine Verwandlung der Menschheit kommen, die das »göttliche Leben auf Erden« einleiten würde. [281]
Der Jesuit und Biologe Pierre Teilhard de Chardin ( 1881 –1955 ) war der Ansicht, der gesamte Prozess der Evolution bewege sich auf einen Endpunkt der »maximalen geordneten Komplexität« zu, den er Omega-Punkt nannte. Dieser Omega-Punkt, für ihn der Attraktor des kosmischen Evolutionsprozesses, würde einen Wandel des Bewusstseins bewirken.
Die traditionellen Religionen entstanden in einer Zeit, in der der bekannte Kosmos noch klein war. Mit Radioteleskopen und Weltraumteleskopen können wir heute weit über unsere Galaxie hinausblicken, und das Universum erweist sich als unermesslich viel größer, als irgendjemand sich je hätte vorstellen können. Wenn die Evolution auf Transformation des menschlichen Bewusstseins abzielt, wozu dann Milliarden Sterne außer unserer Sonne in dieser Galaxie und wozu Milliarden anderer Galaxien? Ist menschliches Bewusstsein einzigartig? Oder entwickelt sich das Bewusstsein überall im Kosmos? Und wenn es Bewusstsein auch anderswo gibt, werden wir irgendwann in Kontakt mit ihm kommen? Lauter offene Fragen, und weder die konventionellen Naturwissenschaften noch die traditionellen Religionen haben Antworten parat. Denker wie Teilhard de Chardin und Sri Aurobindo erkennen das Bewusstsein als von zentraler Bedeutung für die Evolution und deuten Möglichkeiten an, die über die Spekulationen der Naturwissenschaftler hinausgehen. Doch ein Wissenschaftler mag noch so materialistisch eingestellt sein, auch für ihn spielt das Bewusstsein eine herausragende Rolle als das, was menschliche Erkenntnis im Allgemeinen und Naturwissenschaft im Besonderen ermöglicht.
Was könnte daraus folgen?
Wenn die Natur Absichten kennt, sind Absichten und Zielsetzungen nichts spezifisch Menschliches. In unserem Körper ist wie bei Tieren und Pflanzen die Fähigkeit angelegt, zu wachsen, sich zu erhalten
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