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Der Wissenschaftswahn

Der Wissenschaftswahn

Titel: Der Wissenschaftswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Sheldrake
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Phänomen den Begriff »Spiegelneuronen« geprägt: Die Hirntätigkeit des beobachtenden Tiers spiegelt die des beobachteten Tiers; die Veränderungen sind die gleichen, die auch die tatsächliche Ausführung der Aktion beim beobachteten Tier begleiten. Allerdings ist der Begriff »Spiegelneuron« insofern missverständlich, als man meinen könnte, es seien für dieses Geschehen besondere Nerven oder Nervenzellen zuständig. Resonanz ist wahrscheinlich eine bessere Beschreibung des Phänomens. Tatsächlich bezeichnet Vittorio Gallese, einer der Entdecker der Spiegelneuronen, die Imitation von Bewegungen oder Aktionen als »Resonanzverhalten«. [370]
    Der Begriff mag neu sein, aber das Resonanzverhalten selbst ist schon lange bekannt. Die gesamte Pornobranche lebt davon. Das Zuschauen bei den sexuellen Aktivitäten anderer löst durch eine Art Resonanz sexuelle Erregung aus.
    Manche Wissenschaftler erweitern dieses Spiegelphänomen zu einer »motorischen Resonanztheorie«, die besagt, dass das Nervensystem auf die »beobachtete Ausführung von zielorientiertem Handeln« reagiert. [371] Diese Resonanz ist nicht auf das Gehirn beschränkt, sondern umfasst das gesamte Bewegungsmuster des Körpers und spielt zweifellos eine sehr wichtige Rolle beim Erlernen einer Fähigkeit wie Radfahren und bei anderen Formen eines »learning by doing«.
    Durch Wiederholung verfestigen sich Verhaltensmuster, und die Geschicklichkeit nimmt zu, bis sie immer mehr zur Gewohnheit werden. Sowohl der Erwerb neuer Verhaltensweisen als auch die Erinnerung an Verhaltensweisen lässt sich gut mit dem Modell der morphischen Resonanz erklären.

Wiedererkennen
    Beim Wiedererkennen bemerken wir, dass eine gegenwärtige Erfahrung auch mit einem Sich-Erinnern verbunden ist: Wir
wissen
, dass wir an diesem Ort schon einmal gewesen sind oder diesen Menschen schon einmal getroffen haben oder diesem Gedanken schon irgendwo begegnet sind, doch es fällt uns nicht unbedingt ein, wo oder wann das war oder wie diese Person heißt. Wiedererkennen und Erinnerung sind verschiedene Gedächtnisleistungen: Wiedererkennen beruht auf der Ähnlichkeit von gegenwärtiger und früherer Erfahrung; zum Sich-Erinnern bedarf es jedoch einer aktiven Rekonstruktion der Vergangenheit aufgrund von erinnerten Bedeutungen oder Verbindungen.
    Das Wiedererkennen geschieht leichter als das Sich-Erinnern. Jemanden wiederzuerkennen ist oft leichter, als sich an seinen Namen zu erinnern. Die Fähigkeit des Wiedererkennens ist bei den meisten von uns gut ausgebildet und wird als nicht weiter bemerkenswert angesehen. Durch viele Laborexperimente ist belegt, wie gut diese Fähigkeit funktioniert. Bei einer dieser Untersuchungen wurden den Probanden bedeutungslose Umrisse vorgelegt, die sie anschließend aus dem Gedächtnis nachzeichnen sollten. Es zeigte sich, dass diese Fähigkeit schon nach wenigen Minuten rapide nachlässt. Legt man diese Form jedoch nach Wochen, gemischt mit einer Reihe ähnlicher Umrisse, noch einmal vor, so wird sie von den meisten Probanden mit großer Treffsicherheit wiedererkannt. [372]
    Wiedererkennen und Gewöhnung beruhen auf morphischer Resonanz mit ähnlichen früheren Aktivitätsmustern. Wenn Sie jemanden wiedersehen, dem Sie bereits begegnet sind, ähneln sich die entsprechenden Schwingungsmuster in Ihren Sinnesorganen und Ihrem Nervensystem. Die Sinnesreize sind ähnlich und von ähnlicher Wirkung. Je größer die Ähnlichkeit, desto stärker die Resonanz.

Sich-Erinnern
    Bewusstes Sich-Erinnern ist ein aktiver Prozess. Unsere Fähigkeit, uns an etwas Bestimmtes zu erinnern, hängt davon ab, welche Verbindungen wir bei der Erfahrung selbst gezogen haben. Wenn wir die Elemente einer Erfahrung sprachlich eingeordnet und verbunden haben, wird die Sprache auch dabei helfen, uns diese Erfahrung wieder in Erinnerung zu rufen. Verknüpfungen, die gar nicht erst hergestellt wurden, können natürlich auch nicht erinnert werden.
    Unser Kurzzeitgedächtnis hält uns Wörter und Wortgruppen gerade so lange präsent, dass wir ihre Verknüpfungen erkennen und ihre Bedeutung nachvollziehen können. Wir erinnern uns eher an die Bedeutungen, das heißt an Verknüpfungsmuster, als an die Worte selbst. Wir können den Inhalt eines kürzlich geführten Gesprächs wiedergeben, aber selten den genauen Wortlaut. Für die geschriebene Sprache gilt das Gleiche: Sie werden sich an manche der in früheren Kapiteln dieses Buchs dargestellten Fakten und Zusammenhänge erinnern, aber

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