Der Wissenschaftswahn
darin, die etablierte Wissenschaft als »Schrottwissenschaft« zu verunglimpfen und die von Produktverteidigungsspezialisten angewandte Wissenschaft in den Rang einer »grundsoliden Wissenschaft« zu erheben. So verunsichert man die Öffentlichkeit und lässt Zweifel aufkommen, ob die Wissenschaft überhaupt für Gesundheits- und Umweltbelange zuständig ist. [591]
Das alles gewann im Zusammenhang mit dem Klimawandel eine globale Bedeutung. Organisierte Bemühungen, den wachsenden wissenschaftlichen Konsens zu diskreditieren, begannen 1989 mit einem Bericht, der die gesamte Klimaforschung attackierte. Sie ging vom George C. Marshall Institute aus, das 1984 eingerichtet worden war und ursprünglich zur Verteidigung von Ronald Reagans Strategic Defense Initiative (»Star Wars«) gegen die Angriffe anderer Wissenschaftler dienen sollte. Der Marshall-Bericht schob die Erderwärmung auf vermehrte Sonnenaktivität und spielte die Bedeutung der Treibhausgase herunter. Hier ist nicht der Ort, um diese anhaltende Kontroverse darzustellen, aber das Marshall-Institute hat es zusammen mit von der Ölindustrie bezahlten Wissenschaftlern verstanden, die Debatte immer wieder zu vernebeln. [592]
In der Praxis geht es den Skeptikern nicht um die Wahrheitsfindung, sondern um Aufdeckung von Fehlern, die andere gemacht haben. Skepsis spielt eine wesentliche Rolle in Wissenschaft, Religion und der akademischen Welt, sie ist wichtig für Wirtschaftsleben, Journalismus, Politik und nicht zuletzt für den gesunden Menschenverstand. Denken wir aber daran, dass sie auch als Waffe im Dienst bestimmter Überzeugungen und Eigeninteressen verwendet wird.
Fakten und Werte
Auf der Illusion der wissenschaftlichen Objektivität ruht die ebenso illusionäre Unterscheidung zwischen Fakten und Werten. Auf diese Unterscheidung war die institutionalisierte Wissenschaft von Anfang an gebaut. Francis Bacon ( 1561 –1626 ) unterschied zwischen der unschuldigen Naturerkenntnis, die Adam vor dem Sündenfall von Gott gewährt wurde, und der Erkenntnis von Gut und Böse – von Werten –, durch die es zum Sündenfall kam. Das war jedoch nicht die ganze Wahrheit. Bacon prägte auch das Schlagwort »Wissen ist Macht«, das seither der Vorwand ist, unter dem sich Wissenschaftler Forschungsgelder von Regierung und Wirtschaft verschaffen. Es gibt nicht viele Förderer der wissenschaftlichen Forschung, die einfach an Erkenntnis um ihrer selbst willen interessiert sind. Wenn Wissenschaftler Forschungsvorhaben einreichen und um finanzielle Förderung ersuchen, weisen sie fast immer auf den zu erwartenden Nutzen ihrer Arbeit hin. Die Fakten, die sie zu entdecken gedenken, werden in irgendeiner Hinsicht wertvoll sein – für Landesverteidigung, Gewinnoptimierung, höhere Ernteerträge, bessere Navigation, Hebung des nationalen Ansehens und manches andere. Da kommen die erhofften Werte vor den Fakten, aber die versprochenen Werte lassen Geld fließen und geben dem Wissenschaftler die Chance, die Fakten beizubringen. [593]
Fakten und Werte sind, wie wir in diesem Kapitel gesehen haben, nicht klar getrennt, und Wissenschaftler sind auch nur Menschen. Dennoch, Wissenschaftler haben sehr vieles herausgefunden, was früher unbekannt war, und die Wissenschaften haben die Bedingungen menschlichen Lebens grundlegend verändert. Aber aus den Mythen und der Ideologie, die ihre Grundlage bilden, sind unbewusste Denkgewohnheiten und in der Folge hinderliche Illusionen geworden, die dem wissenschaftlichen Fragen Grenzen setzen, weil sie Voreingenommenheit und dogmatische Verhärtung begünstigen. Die Lösung liegt, wie ich glaube und im Schlusskapitel darstellen möchte, in einem Pluralismus, der die Vielgestaltigkeit von Wissenschaft und Natur ebenso wie die Vielzahl der sich daraus ergebenden Perspektiven gelten lässt.
Fragen an Materialisten
Man weiß, dass sich Erwartungen auf die Forschungsergebnisse in Psychologie, Parapsychologie und Medizin auswirken, weshalb dort vielfach Blindverfahren angewendet werden. Glauben Sie, dass der Experimentatoreffekt auch auf anderen wissenschaftlichen Gebieten eine Rolle spielen könnte?
Sollen Wissenschaftler, Schüler und Studenten in ihren Berichten Ihrer Meinung nach lieber das Passiv oder das Aktiv verwenden?
Die meisten Wissenschaftler veröffentlichen nur einen kleinen Teil ihrer Forschungsergebnisse. Könnte das Ihrer Meinung nach zu einer erheblichen Unausgewogenheit in der wissenschaftlichen Literatur führen?
Wie
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