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Der Wissenschaftswahn

Der Wissenschaftswahn

Titel: Der Wissenschaftswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Sheldrake
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Skeptiker sind sehr darauf aus, jeden positiven Befund sogleich zu zerpflücken, und dabei greifen sie auf vorgefertigte Listen von Einwänden zurück: methodische Fehler, Betrug, Experimentatoreffekte oder selektive Veröffentlichung positiver Resultate. Weil Parapsychologen diese refrainartige Kritik nur zu gut kennen, achten sie ganz besonders darauf, ihre Experimente unter strengster Kontrolle durchzuführen. Die Übersichtstabelle 1 zeigt, dass in der Parapsychologie weitaus häufiger Blindverfahren angewendet werden als auf jedem anderen Gebiet wissenschaftlicher Forschung. Parapsychologen sind auch viel eher bereit, negative Resultate zu veröffentlichen und so dem Schubladeneffekt entgegenzuwirken. [578]
    Es ist natürlich ganz richtig, wenn die Skeptiker auf mögliche Fehlerquellen in der parapsychologischen Forschung aufmerksam machen, und ihr beständiger argwöhnischer Blick hat den Forschungsstandards auf diesem Gebiet nur gutgetan. Allerdings sollte man die gleichen skeptischen Prinzipien auch auf alle anderen Wissenschaften anwenden. Wie hoch ist eigentlich in der Physik, Chemie und Biologie der Anteil der
veröffentlichten
Forschungsergebnisse? Es scheint noch keine Studien zu dieser Frage zu geben, aber ich habe selbst vorläufige Erhebungen gemacht, die ergaben, dass dieser Anteil auf den meisten Gebieten nicht höher als 5 bis 10 Prozent zu liegen scheint.
    Naturwissenschaftler veröffentlichen eher ihre »Bestwerte« als negative oder unklare Befunde. Ein Beispiel haben wir in Kapitel 10 gesehen: Eli Lilly, der Hersteller von Prozac, sorgte dafür, dass nur die positiven Resultate klinischer Studien veröffentlicht wurden. Hinzu kommt noch, dass wissenschaftliche Zeitschriften negative Resultate meist sehr ungern veröffentlichen. Es ist kaum abzusehen, was das bedeutet, aber ein Autor drückte es so aus: »Ganze Wissenschaftszweige setzen sich der Gefahr verfälschter positiver Forschungsresultate aus.« [579]
    Veröffentlichte Daten haben drei Selektionsfilter durchlaufen: Zunächst entscheidet der Experimentator selbst, welche Daten er veröffentlichen möchte oder nicht; dann kommen die Redakteure der Zeitschriften, die bestimmte Resultate als publizierbar einstufen und andere nicht; dann kommt der Peer-Review-Prozess, der bekanntermaßen ebenfalls dafür sorgt, dass zu erwartende Resultate mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit veröffentlicht werden als unerwartete.
    Wenn Unternehmen nur zehn Prozent ihrer Buchführung veröffentlichen müssten, würden sie wohl das herausstellen, was für gutes Management und Profitabilität spricht. Müssten sie dagegen dem Finanzamt nur zehn Prozent ihrer Buchhaltung vorlegen, würde es sich vermutlich um Geschäftsbereiche handeln, in denen nicht viel Geld verdient wird. Wo 90 Prozent der Daten verschwiegen werden, bieten sich wahrlich viele Möglichkeiten der selektiven Berichterstattung. Welche Rolle spielt diese Praxis in den Naturwissenschaften? Niemand weiß es.

Skepsis als Waffe
    In der Forschung arbeitende Wissenschaftler, die um die Grenzen und Unwägbarkeiten ihrer Arbeit wissen, behaupten selten, sie seien sich ihrer Sache ganz sicher. Außerdem werden ihre Arbeiten regelmäßig dem Peer-Review unterworfen. Skepsis gehört zum Wesen der Naturwissenschaft. Sie kann aber auch zu einer Waffe werden, die man gegen seine Widersacher einsetzt. Die Kreationisten beispielsweise leugnen die Evolution und setzen ihren kritischen Verstand ein, um Probleme der Evolutionstheorie hervorzuheben und Schwachpunkte in der Beweislage herauszustreichen, beispielsweise Lücken in der Kette der fossilen Zeugnisse. Tun sie das, weil sie auf Wahrheit aus sind? Nein. Sie glauben ja, dass sie die Wahrheit bereits kennen. Skepsis dient hier dem Angriff auf Andersdenkende und der Verteidigung des eigenen Standpunkts.
    Diese Strategie wird schon lange von organisierten Skeptikern angewendet, um gegen Psi-Forschung, Parapsychologie und alternative Medizin vorzugehen. Ihre Motive sind in erster Linie ideologischer Natur, denn auch sie wiegen sich in dem Glauben, die Wahrheit bereits zu kennen, nämlich dass Psi-Phänomene reine Einbildung sind und nur mechanistische Medizin wirksame Medizin ist (siehe Kapitel 9 und 10 ).
    Auch überall da, wo es um kommerzielle Interessen geht, wird Skepsis gern als Waffe eingesetzt. 1964 veröffentlichte der Surgeon General der Vereinigten Staaten (Leiter des Public Health Service) den Bericht
Smoking and Health
, der auf über

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