Der Wissenschaftswahn
gelangen.
In vielen Fällen mag der Experimentatoreffekt an einer die Beobachtungen und die Datenerfassung verfälschenden Voreingenommenheit liegen, aber auch ein direkter Einfluss auf das Experimentalsystem selbst wäre denkbar. Leicht vorstellbar ist das bei Experimenten mit der Beteiligung menschlicher Probanden, die irgendwie die Haltung und Erwartung des Experimentators spüren. Rosenthals Experiment mit den Harvard-Studenten und ihren Rattenversuchen zeigt, dass auch Tiere sich auf die Art ihrer Behandlung einstellen. Aber es könnte noch weitergehen. Was, wenn sich die Erwartungen des Experimentators
direkt,
das heißt als unmittelbarer geistiger Einfluss, also auf psychokinetischem Wege, dem beobachteten System mitteilen? Wenn, um ein Beispiel zu nennen, Hunderte von hochqualifizierten Physikern darauf aus sind, ein schwer feststellbares subatomares Teilchen in den noch unbestimmten Partikelströmen eines Teilchenbeschleunigers zu entdecken, könnte es dann nicht sein, dass sich ihre Erwartungen auf die Quantenereignisse auswirken? Und könnten die Hoffnungen der Experimentatoren nicht auch bei Experimenten im Makrobereich den Ausschlag geben?
Solche Möglichkeiten gelten als weit hergeholt, und das Tabu gegen paranormale Phänomene verhindert im Allgemeinen, dass sie überhaupt thematisiert werden. Ich finde es wichtig, diesen Fragen nachzugehen, anstatt sie zu verdrängen. In den Labors kursieren etliche Anekdoten von Leuten, die mysteriöse Effekte hervorzubringen vermögen. Das können auch negative Effekte sein, verursacht durch Personen, die schnell als Unglücksraben angesehen werden. Eines der berühmtesten Beispiele ist der sogenannte Pauli-Effekt, benannt nach dem Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli ( 1900 –1958 ). Er besaß den Ruf, jegliche Laborapparatur durch seine bloße Gegenwart außer Gefecht setzen zu können. Sein Freund Otto Stern, Experimentalphysiker in Hamburg, verbannte Pauli sogar aus seinem Labor, um diesem Effekt vorzubeugen. Pauli selbst hielt diesen Effekt für real und war in Sorge, er könne durch seine Anwesenheit den Brand im Zyklotron der Princeton University mitverursacht haben. [577]
Doch was sich als direkter Einfluss des Geistes auf die Materie darstellt, kann auch segensreich sein. Ein Biochemieprofessor an einer bedeutenden amerikanischen Universität erzählte mir, das Geheimnis seines Erfolgs liege zum Teil in dem Umstand, dass er Proteinmoleküle reiner darzustellen verstand als seine Kollegen. Wenn er eine Probe gemischter Proteine zu trennen hatte, blieb er einfach bei dem Apparat in der Kältekammer und machte seinen Willen zu einer klaren Trennung geltend. Er sagte sogar: »Trennt euch!«
War das sein persönlicher Aberglaube oder ein realer Effekt? Man könnte dieser Frage experimentell auf den Grund gehen. Man könnte beispielsweise zwei identische Apparaturen mit der gleichen Proteinmischung befüllen. Die eine, zufällig ausgewählt, würde man dem Professor zur Begleitung des Separierungsprozesses übergeben, die andere würde für die gleiche Zeit und ohne Begleitung in einer anderen Kältekammer verbleiben. Danach würde man die Trennungsergebnisse vergleichen und mögliche Unterschiede festhalten. Ich versuchte besagten Professor zu diesem Versuch zu überreden, aber er lehnte ab. Persönlich war er zwar neugierig, aber er konnte seine Glaubwürdigkeit und damit seine Karriere nicht aufs Spiel setzen.
Die angenommene Objektivität der »harten« Wissenschaften ist eine ungeprüfte Hypothese. Was den Experimentator-Erwartungs-Effekt in den meisten Bereichen der Physik, Chemie und Biologie angeht, besteht in der wissenschaftlichen Gemeinschaft so etwas wie ein Schweigeabkommen. Dass es so etwas nur in der klinischen Forschung, Humanpsychologie und Tierverhaltensforschung gibt, könnte sich jedoch als Irrtum erweisen.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass Wissenschaftler meist nur einen kleinen Teil ihrer Daten veröffentlichen. Wenn sie sich aus der Gesamtheit der Daten die Rosinen herauspicken, die am besten zu ihrer Hypothese passen, muss das eine einseitige Betonung ergeben. Die ist bekannt und wird »Publikationsbias« genannt. Manchmal ist auch vom »Schubladeneffekt« die Rede – unliebsame Daten bleiben einfach in der Schublade.
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Wie wir im 9 . Kapitel schon besprochen haben, wird kein anderes wissenschaftliches Forschungsgebiet mit so viel skeptischem Argwohn betrachtet wie die Parapsychologie. Die
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