Der Wohlfahrtskonzern
machen, auch noch gesucht hätte, und obwohl ich eine perfekte Ausrede für meinen Wunsch, wieder in die Gewölbe zu gehen, hatte, verlangte es mich doch nicht, sie zu benutzen. Der Expedientenoffizier vom Dienst fragte nicht einmal nach Gründen. Er stattete mich mit dem aus, was ich wollte – einem Plan der Gewölbe und einem Strahlungsmesser – und ließ mich gehen.
Ich sah auf den Plan und war erstaunt über die Größe dieses unterirdischen Giganten. Lawton hatte mir gesagt, daß wir hier unten etwas über achtzigtausend Schläfer abgelegt hatten, und das hatte mich bereits erstaunt, aber nach der Karte, die ich hier in Händen hielt, gab es Platz für ungefähr zehnmal so viele. Es war kaum glaubhaft, daß soviel Platz tatsächlich benötigt wurde … außer, es war etwas an Renas Überzeugung, daß die Gesellschaft die Kliniken als Gefängnisse benutzte … Ich widmete mich dem Plan.
Und natürlich las ich ihn falsch. Es war ganz einfach, ich hatte mich nur in der Ebene geirrt, mehr nicht.
Er sah schon falsch aus, als ich aus dem Lift trat. Ein älterer, übertrieben eifriger Zivilist hielt mich auf.
»Sie sind keiner von uns, oder?« verlangte er zu wissen.
»Das bezweifle ich«.
»Dürfte ich Sie dann hier herüberbitten?« fragte er höflich und wies auf eine Stelle an der Seite der Halle. Vielleicht ließ ich mich zu leicht beeinflussen, aber ich gehorchte seiner Aufforderung ohne weitere Fragen. Das machte aber weiter nichts, weil eine Art Prozession um eine Ecke bog und den Korridor entlangkam; ein fahrbares Krankenbett und drei ältliche Zivilisten, die geschäftig um es herumschwenzelten; dahinter ein gelangweilter Mediziner, der einen Tropf mit irgendeiner Flüssigkeit hielt, die durch einen Kunststoffschlauch in den Arm des Mannes auf dem Krankenbett sickerte; gefolgt von ungefähr einem Dutzend anderer Leute. Der Mann, der mich angehalten hatte, rannte auf das Bett zu. Er blickte angestrengt in das wächserne Gesicht und flüsterte: »Das ist er! Ja, wirklich, das ist er!«
Ich sah hin, und das Gesicht kam mir eigenartig bekannt vor. Es erinnerte mich an meine Schulzeit, es hatte irgend etwas mit einer Unterrichtseinheit über Massenbewegungen zu tun. Aus der Art, wie die vier alten Männer weitergingen, war ersichtlich, daß es für sie auf jeden Fall mehr bedeutete: vielleicht nicht unbedingt die zweite Wiederkunft Christi, aber auf jeden Fall etwas, das dem sehr nahe kam.
Inzwischen war mir klar geworden, daß dies eines der seltenen Ereignisse in der Klinik war, eine Wiederbelebung. Ich hatte nie eine gesehen. Ich hätte einfach meiner Wege gehen und meinen verschwörerischen Aktivitäten nachkommen können – und es macht meinem Verschwörerdasein keine Ehre, daß ich es nicht tat, aber ich war fasziniert. Zu fasziniert, um mich zu fragen, warum Wiederbelebungen so selten waren …
Der Arzt sah auf seine Uhr und rupfte mit einer lässigen, unbekümmerten Geste den Schlauch aus dem Arm des wächsernen Mannes. »Zwei Minuten«, sagte er zu einem der Zivilisten. »Dann ist er wieder so gut wie neu. Haben Sie seine Kleidung und seine Entlassungspapiere?«
»Oh, natürlich«, antwortete dieser strahlend.
»Schön. Und Sie sind sich im klaren darüber, daß die Gesellschaft über die übliche Deckung durch die Police hinaus keine Verantwortung übernimmt? Er war schließlich einer der ersten Suspendierten. Wir glauben, daß er noch ein Jahr oder so hat – und das ist ein Jahr mehr, als er sonst gehabt hätte.«
»Natürlich«, stimmte der Zivilist zu. »Können wir jetzt mit ihm sprechen?«
Der Arzt hob die Schultern. »Sobald er die Augen öffnet.«
Der Zivilist beugte sich über den Mann, der langsam sein wächsernes Aussehen verlor. Sein Gesicht zeigte jetzt ein geflecktes Grau, seine Lider zuckten; er fing an, schwer und unregelmäßig zu atmen, und murmelte etwas, das ich nicht richtig verstehen konnte. Der Zivilist flüsterte etwas in sein Ohr, und der wiederbelebte Mann öffnete die Augen und sah ihn an.
Es war faszinierend. Es war, als würde man einen Toten sehen, der wieder lebendig wurde. Und tatsächlich war es genau das. Denn zwanzig Minuten zuvor hätten kein Stethoskop, kein chemischer Test und keine Tiefensondierung der Augenhöhle den leisesten Schimmer von Leben in den fast toten Zellen entdecken können. Und doch – jetzt atmete, sprach und sah er.
»Ich habe es geschafft«, waren seine ersten Worte.
»Ja, wirklich, das haben Sie!« jubilierte der Anführer
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