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Der Wohlfahrtskonzern

Der Wohlfahrtskonzern

Titel: Der Wohlfahrtskonzern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl - Lester del Rey
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unsere gesamte Gattung auf einmal befallen sollte – konnte die betroffene Bevölkerung rasch, effektiv und reibungslos konserviert werden, bis die Medizin die entsprechenden Heilmethoden erarbeitete.
    Für Rena waren sie Gefängnisse, groß genug, um die gesamte Menschheit aufzunehmen.
    Es war an der Zeit herauszufinden, wer von uns recht hatte. Ich eilte durch die Gänge, zwischen den in endlosen Reihen übereinanderliegenden Schläfern hindurch. Ich sah das schwache purpurne Schimmern, wo Rena die Flüssigkeit vergossen hatte, und kniete mich neben den Kokon, der ihren Vater enthielt.
    Die UV-Sterilisatoren über mir gaben allem einen geisterhaft violetten Schimmer, aber das wächserne Gesicht unter dem Kunststoff hätte in jedem Licht so tot ausgesehen wie der Tod selbst. Ich konnte verstehen, daß Rena geweint hatte.
    Es war keine Zeit zu verlieren. Ich nahm den kleinen Strahlungsmesser heraus und überprüfte ihn unbeholfen. Das Gerät war glücklicherweise nicht kompliziert, denn ich hatte nämlich wenig Erfahrung mit diesen Instrumenten. Es war ein Zylinder mit einer trichterförmigen Tülle an einem Ende und einem kalibrierten Milliröntgenmeter an der Seite. Die kleine Nadel zitterte in dem grünen Feld der Skala, ich richtete das Gerät auf mich, und die Anzeige veränderte sich nicht. Ich hielt es nach oben und nach unten, es veränderte sich nichts.
    Ich richtete es auf den radioaktiv verseuchten Körper von Benedetto dell’Angela.
    Und die Nadel blieb, wo sie war.
    Radioaktiv verseucht? Nein – es sei denn, das Instrument log! Falls Benedetto dell’Angela sich jemals in seinem Leben in dem Gefahrdungsradius einer atomaren Explosion befunden hatte, war das so lange her, daß auch die kleinste Spur radioaktiver Nebenwirkungen längst verschwunden war!
    Rena hatte recht …
    Ich arbeitete wie eine Maschine, ohne viel zu überlegen. Eilig, fast achtlos berührte ich mit der ionenempfindlichen Tülle des Meßgeräts den Körper auf dem Regal über Benedetto, den darüber und ein halbes Dutzend anderer in der Abteilung.
    Bei zweien schnellte die Nadel deutlich bis ans Ende der Skala, drei waren genausowenig von Radioaktivität beeinträchtigt wie Benedetto. Bei einigen wenigen war die Anzeige im Gefahrenbereich zwischen »schwach« und »lebensgefährlich«. Bei den meisten gab es keine Reaktion.
    Benedetto war also nicht der einzige! Es war möglich, so versuchte ich mir krampfhaft einzureden, daß es hier noch Geheimnisse gab, die ich nicht verstand. Vielleicht fiel der Strahlungspegel nach einem Monat oder einem Jahr so weit, daß sich das Opfer zwar noch immer in tödlicher Gefahr befand, aber die Strahlung, die sein Körper abgab, zu schwach war, um das Meßgerät zu beeinflussen. Ich konnte es mir eigentlich nicht vorstellen, aber es war eine Überlegung wert. Alles war eine Überlegung wert, das eine andere Erklärung versprach als die, die mein Verstand sich weigerte zu akzeptieren!
    Es gab, wie ich mich erinnerte, eine größere Anzahl gerade erst Suspendierter in dem Hauptempfangsgewölbe an der Verbindungsstelle der Korridore. Ich eilte dorthin zurück. Hier waren frische Fälle, die einfach eine Reaktion auf dem Radioaktivitätsmesser hervorrufen mußten.
    Ich lehnte mich über den nächsten, überprüfte seinen Identifizierungsanhänger, um sicherzugehen, daß er das große, querliegende rote Kreuz trug, das auf einen Fall von Strahlenverseuchung hinwies. Ich brachte den Zähler dicht an das runzlige Gesicht.
    Aber ich las die Anzeige nicht, nicht gleich. Es war nicht nötig. Denn ich erinnerte mich an das Gesicht. Ich hatte es gesehen, angstverzerrt, aufgelöst, um Gnade winselnd, weinend und heulend. Es gehörte dem alten E-Kategorieler, dem Unversicherbaren, den die Expedienten in den Gewölben versteckt gefunden hatten.
    Er hatte keine Strahlenvergiftung – falls nicht innerhalb der letzten zwölf Stunden eine Bombe in den Gewölben selbst explodiert war. Er war – ganz einfach und ganz klar – ein Gefangener. Es gab keine Fragen mehr für mich.
    Es war nicht angenehm, dort zu stehen, sich in den Gewölben umzuschauen, die nur zu dem Zweck erbaut worden waren, menschliches Leben zu retten – und sich zu fragen, wie viele der achtzigtausend Seelen, die sie bargen, Opfer eines Betruges waren.
    Und den Gedanken zu denken, der folgte, war sogar unerträglich: Wenn die Gesellschaft korrupt war und ich ihren Zielen gedient hatte – welchen Teil der Schuld trug ich dann?
    Die Gesellschaft,

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