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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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auf Ab stand hielten, kroch ich, mit dem Kopf voran, in die Höhle
hinein. Etwa einen halben Meter schräg unter der Erde
wurde der Gang gerade und zunehmend enger. Nach etwa
zwei Metern kam eine ganz schmale Stelle. Einer der Wärter kroch mir nach und hielt meine Füße fest. Ich zwängte
mich durch den Engpaß und sah im Scheinwerferlicht eine
runde Höhle mit einem Haufen dunkler Welpen. Ich zählte
und fand nur drei. Das war schlecht. Für meine Arbeit
hätte ich gern vier Welpen gehabt. Der Tierpark wollte
sicherlich auch einige für sich behalten. Und dann waren
es auch noch drei Weibchen. Ich leuchtete die Höhle aus,
aber es waren keine weiteren Welpen vorhanden. Über mir
hörte ich die Mutter aufgeregt wuffen und ständig hin und
her rennen. Die Männer schrien sie vorsorglich an, aber
sie machte keine Anstalten, ihre Höhle zu verteidigen. Ich
nahm einen der drei gleich großen Welpen in den Arm und
robbte zurück, von oben an den Füßen gezogen. Alle im
Tierpark waren sich einig, daß wenigstens zwei der Welpen bei der Mutter bleiben sollten ; also blieb für mich nur
ein einziger übrig. Ich steckte ihn unter meine Jacke und
fuhr nach Hause.
Die Aufzucht Anfas
    Anfa bekam ihren Namen von meiner Frau. Nach der Planung sollten alle Wölfe Namen auf A bekommen. Der kleine
Wolf war der Anfang, daher der Name. Zumindest bei der
Namengebung stimmten Anspruch – auf System in der
Arbeit – und Wirklichkeit noch überein. Doch das sollte
sich bald ändern. Glücklicherweise hatte ich keine Ahnung
von all den Schwierigkeiten, die sich in der Folge in Rickling auftürmen sollten. Auf einen kleinen Wolf kann man
sich konzentrieren ; bei den sechzehn wilden, ausgelassenen Jungtieren, die wir binnen kurzem beisammenhatten,
ging das nicht mehr. Mit ihrem runden Kopf, ihren kleinen Ohren und ihren kurzen Beinen war Anfa ein wirklich anrührendes Geschöpf. Jahre später, als unsere eigenen
Kinder mich mit ihren großen Augen anschauten, erinnerte
ich mich häufig an jene Gefühle damals einem kleinen
Wolf gegenüber. Ich muß zugeben, daß sie nicht wesentlich
anders waren. Das Kindchenschema, das bei uns Menschen
Gefühle der Zärtlichkeit und der Fürsorge dem Kleinkind
gegenüber auslöst, scheint – und das wohl nicht nur bei
mir – recht undifferenziert zu sein. Jedenfalls war meine
Beziehung zu diesem Tierkind sicher nicht nur rein wissenschaftlicher Art. Ich trug Anfa ständig bei mir, um ihr
so die verlorene Nestwärme zu ersetzen. Mit der Nuckelflasche kam sie nicht zurecht. Im Institut hatte man aber
eine andere Methode der Fütterung entwickelt. So kaufte
eine andere Methode der Fütterung entwickelt. So kaufte

Millimeter-Spritze. Der Schlauch wurde Anfa durch das
Maul bis in den Magen gestopft, und dann wurde sie mit
Hilfe der Spritze mit Milch vollgepumpt : sicher keine meinen »Vatergefühlen« entsprechende Methode, aber rationell und relativ sicher im Vergleich zu der Nuckelflasche,
bei deren Benutzung Anfa sich ständig verschluckte und
ich Angst hatte, sie könne an einer durch Fremdstoffe in
der Lunge verursachten Lungenentzündung sterben.
    Anfa war ungewöhnlich früh im Jahr geboren, am 31.
März 1967, und so wuchs sie die ersten neun Wochen, bis
die anderen Welpen kamen, allein bei uns auf. Wir hatten
für sie eine Kiste im Wohnzimmer gebaut. Ein Wärmekissen sorgte, wenn ich sie nicht gerade bei mir herumtrug,
für die nötige Temperatur. Um ihr Saugbedürfnis zu stillen,
versuchte ich es mit verschiedenen Babysaugern, aber sie
nahm keinen an. So steckte ich ihr einen Finger ins Maul,
an welchem sie dann stundenlang nuckelte. Im Alter von
zwölf Tagen war rechts und links ein ganz kleiner Spalt
im Fell zu sehen, und zwei Tage später waren beide Augen
offen. Inzwischen konnte Anfa auch schon sehr geschickt
aus der Kiste herausklettern, indem sie sich mit den Vorderpfoten hochzog und gleichzeitig die Hinterbeine schräg
gegen die Wand stemmte. Sie war sehr lebendig und kaum
noch zu halten. Unser Wohnzimmer wurde von ihr ungeniert zu einem Spielzimmer umfunktioniert. Die ersten
Zähne brachen durch, und was nicht gerade aus Stahl war,
wurde in kleine Teile zerlegt : ein Stuhlbein, die Decke auf
dem Sofa und vorzugsweise meine Protokolle. Zuerst kotete
und urinierte Anfa nur nach einer Bauchmassage. Mit zehn
Tagen machte sie es zum erstenmal selbständig auf kleinen,
wackligen Beinen, und schon mit vierzehn Tagen setzte sie
den Kot möglichst weit von ihrer Kiste ab.

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