Der Wolf
und mich ständig anknurrt; von
Zora, der Roten, die so souverän ihre führende Stellung
behauptet, von Rin-tin-tin, dem kleinsten aber zugleich
lebendigsten der Weibchen, und von Knurre, die so herrlich schielt und ansonsten gutmütiger ist, als ich jemals
einen Wolf erlebt habe.
Doch vorher berichte ich über all das, was ich in den Jahren, die ich mit Wölfen verbrachte, an deren Verhalten beobachten konnte, von ihrer Zeit als Welpen und junge »Halbstarke«, von ihrem Hineinwachsen in die Rangordnung der
Älteren und von deren wechselhaften Beziehungen untereinander, von den aufregenden Ereignissen in jedem Winter,
zur Paarungszeit der Wölfe, der Ranz, und von dem, was
regelmäßig zwei Monate danach bei der Geburt der neuen
Welpen und in der Folge bei deren Aufzucht geschah. Ich
beschreibe, wie das Rudel zusammenhielt, aber auch, wie
einzelne Tiere das Rudel verlassen mußten oder freiwillig
eigene Wege gingen, wie die Rudelwölfe sich gegenüber
fremden Wölfen und Hunden verhielten, wie sie jagten und
wie sie die Beute und das Futter unter sich verteilten. Auch
von meiner Rolle im Rudel und von den Schwierigkeiten,
die ich manchmal mit einigen der allzu dominanzlüsternen unter den Wölfen hatte, will ich nüchtern zu berichten
versuchen, ebenso von all den Problemen, die dann entstehen, wenn man in Deutschland und anderswo mit einem
Rudel ausgewachsener Wölfe unterwegs ist. Dabei wird
auch von den Reaktionen der Leute in unserem niederbayerischen Dorf die Rede sein, wenn die Wölfe die Mißtöne der Blaskapelle der freiwilligen Feuerwehr bei jedem
Begräbnis mit ihrem Heulen zu übertönen suchten. Was in
den Wäldern Kanadas als so schön empfunden wird, gilt
anderwärts eben nur noch als schaurig.
Daß meine Darstellung im übrigen nicht frei ist von subjektiven Wertungen, Sympathien und Antipathien, versteht
sich von selbst. Was ich zu berichten habe, ist ohnehin
nur ein kleiner Ausschnitt aus der Realität der vielleicht
hunderttausend oder mehr Wölfe, die heute noch auf der
Erde leben. Der Leser, der mehr wissenschaftliche Daten
zu dieser Subjektivität wünscht, sei auf die erste Ausgabe
des Buches verwiesen.
An dieser Stelle möchte ich, neben all denen, die ich in
dem bei Meyster erschienenen Band mit Dank für ihre
Unterstützung bedachte, insbesondere Wolf Herre und Konrad Lorenz, Paul Leyhausen, Heinz Bibelriether, Hermann
Puchinger, Hartmut Pruscha, Friedl Thiel, Eva und KarlErik Zimen, auch noch Anja Wolff, Peter Hammelsbeck und
Bernhard Pack danken, die mit mir zusammen die letzten
Wolfswelpen aufzogen und sie später quer durch Europa
kutschierten, sowie Paolo Barrasso, der jetzt die Wölfe am
Rande des Valle di Orfento in den Abruzzen betreut. Prill
Barrett hat auch für diese Ausgabe die Zeichnungen gemacht.
Ganz besonders zu danken habe ich zu guter Letzt meiner
Frau, die es trotz zunehmender Heftigkeit ihrer Proteste
wohl doch nicht gar so ernst meint mit ihrem Wunsch, ein
ganz normales Leben mit mir zu führen.
E. Z.
Erstes Kapitel
Am Anfang war Anfa
Wölfe werden, nach einer Tragdauer von 61–63 Tagen, in
einer von der Mutter gegrabenen Höhle geboren : etwa 4
bis 7 Welpen je Wurf Bei der Geburt sind sie blind und
taub. Sie können sich langsam kriechend bewegen. Der
Bauch liegt dabei auf, und der Kopf pendelt hin und her.
Berühren sie mit dem Kopf etwas Warmes, bewegen sie
sich in dieser Richtung. So finden sie die Mutter und die
Zitzen zum Trinken, und wenn die Mutter weg ist, finden
die Welpen so zueinander. Zum Vorteil für die Wärmeregulation liegen sie auf einem kleinen Haufen zusammengedrängt, den Kopf dabei möglichst im Knäuel versteckt.
Wenn die Mutter in die Höhle zurückkehrt, kommt Leben
in den Haufen. Vermutlich merken die Welpen dies an der
Bewegung, an der Erschütterung der Erde ; denn sie reagieren erst viel später, etwa im Alter von vierzehn Tagen,
auf laute und plötzliche Geräusche.
Anfa war erst sechs Tage alt, als ich sie aus einer Höhle im
Wolfsgehege des Tierparks Neumünster, südlich von Kiel,
herausholte. Vorher hatte ich im Tiergarten des Instituts für
Haustierkunde in Kiel die Geburt und das Verhalten verschiedener Welpen von Wölfen, Hunden und WolfshundBastarden beobachtet. Um die ontogenetische Entwicklung
von Wolfswelpen genau verfolgen zu können, schien es mir
sinnvoll, sie schon früh von ihrer Mutter zu trennen und
zur besseren Beobachtung künstlich aufzuziehen.
Während mehrere Wärter die Eltern der Welpen
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