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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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Reaktionen Näschens zu schließen, sehr kräftig zu.
    Es schien, als sei es Wölfchen durch diese »hinterhältigen« Angriffe gelungen, seine Position zu festigen. Im späteren Herbst war dann das Verhältnis zwischen den drei
Rüden weitgehend stabil. In dem Maße, wie die Angriffe
Wölfchens schwächer wurden, reagierten die beiden Subdominanten Rüden darauf mit Demutsverhalten statt mit
Flucht oder Protest. Bald spielten alle Rüden wieder miteinander.
    Zwischen Näschen und Alexander gab es interessanterweise keine Rangdifferenz. Nach dem verlorenen Machtkampf war Alexander nicht zum allgemeinen Prügelknaben geworden, wie wir es sonst bei ehemaligen Alpha-Tieren beobachtet haben. Vielmehr zeigte sich Näschen sehr
besorgt um den verletzten Alexander. Er leckte ihm die
Wunden und lag häufig neben ihm im Stall. Versuchte Wölfchen, Alexander dort anzugreifen, kam Näschen sofort hinzu
und griff Wölfchen protestierend an. Das Verhältnis zwischen den beiden rangniedrigeren Rüden entsprach ganz
dem Verhältnis der drei Brüder untereinander, als Großkopf noch Alpha-Rüde gewesen war : geringe Aggressivität, geringe Individualdistanz, viel Spiel und freundliches
Verhalten.
    Interessant waren die allgemeinen Veränderungen im
Verhalten von Wölfchen und Alexander nach dem Machtkampf. Sofort nach dem Kampf lief Wölfchen in der Haltung des ranghöchsten Tieres im Zwinger umher. Auch
außerhalb des Zwingers verhielt er sich genauso wie vorher Alexander. Mit hochgehobenem Schwanz und an jeder
Ecke spritzharnend, lief er winselnd und sehr unruhig an
der Kette. Im Zwinger zeigte er auch bald mir gegenüber
erste Imponierversuche, die zuerst im Spiel auftraten, später auch gleich bei meinem Eintreten in den Zwinger.
    Der früher so aggressive Alexander hingegen war von dem
Tag an, an dem er seine hohe Position verlor, der denkbar
»liebste« Wolf. An der Kette lief er ruhig, und jeder fremde
Mensch wurde mit einer Intensität unterwürfig begrüßt,
wie es sonst nur bei Jungwölfen zu beobachten ist.
Erstes Modell der sozialen Rangordnung
    Bis jetzt haben wir nur beobachten können, wie sich die
soziale Rangordnung zwischen jungen Tieren entwickelt,
und dies außerdem in einem sich nicht durch eigene Welpen vergrößernden Rudel. Trotzdem können wir jetzt schon
einige Merkmale dieser Ordnung erkennen.
    Zwischen den Wölfen gibt es objektbezogene Rangverhältnisse, etwa im Zusammenhang mit dem Futter, sowie Rangbeziehungen, die sich nicht unmittelbar auf den Zugang zu
einem Objekt beziehen, sondern aus dem sozialen Geschehen selbst entstehen. Auseinandersetzungen, die den Zweck
haben, diese sozialen Rangbeziehungen zu verändern, finden nur zwischen gleichgeschlechtlichen Wölfen statt. Demnach gibt es im Wolfsrudel zwei getrennte Rangordnungen : eine für die Rüden und eine für die Weibchen. Spätestens mit einem Jahr erkennen die jüngeren Wölfe sowohl
das Geschlecht der anderen Rudelmitglieder als auch das
eigene.
    Besonders wenn es um die härter umkämpften Rangpositionen zwischen den älteren Wölfen geht, sind die Rangauseinandersetzungen nicht »Privatangelegenheit« von nur
zwei Tieren ; vielmehr beteiligen sich auch die anderen Tiere
des Rudels, vor allem die gleichgeschlechtlichen, mehr oder
weniger intensiv daran. So führt jede Veränderung in der
Rangbeziehung zweier Tiere, sei es, daß der Rangniedrigere eine Expansionstendenz nach oben zeigt, sei es, daß
der Druck des Ranghöheren nach unten stärker oder schwächer wird, zu einer Häufung aggressiven Verhaltens nicht
nur zwischen diesen beiden Tieren, sondern auch bei weiteren Mitgliedern des Rudels. Stabile Rangbeziehungen scheinen demnach einen dämpfenden Einfluß auf die Häufigkeit aggressiven Verhaltens zu haben.
    Die sozialen Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Tieren sind vermutlich auch von inneren, hormonellen
Faktoren abhängig, denn in den Wintermonaten, dann vor
allem zur Ranzzeit, zeigt der Ranghöchste eine verstärkte
Tendenz, die Rangniedrigeren zu unterdrücken. Dies war
besonders bei den Weibchen zu beobachten.
Fünftes Kapitel
     

Entwicklung der Rangordnung
    Nach Abschluß der Doktorarbeit in Kiel im Herbst 1970
war zu entscheiden, wie die Arbeit weitergehen sollte. Viele
Fragen über das Sozialverhalten der Wölfe waren noch offen, und wegen der guten menschlichen Atmosphäre bei
Professor Herre wäre ich gern im Kieler Institut geblieben.
Andererseits hatte ich ein Angebot von Konrad Lorenz und

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