Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
Vom Netzwerk:
verließen allerdings das
Rudel : das Weibchen gezwungenermaßen, der Rüde, wie
es schien, eher freiwillig.
    Obwohl die Entscheidungen in beiden großen Rangordnungen gefallen waren, trat im Rudel keine Ruhe ein ; dafür
sorgte das neue Alpha-Weibchen Finsterau. Nachdem sie
Mädchen besiegt hatte, ging sie zum Angriff auf Schönbrunn über. Unterstützt von den anderen beiden Weibchen,
attackierte sie ihre Rivalin durch Überraschungsangriffe,
und bald mußte sich auch diese abseits vom Rudel halten.
Wenig später war auch das nächste Weibchen, Rachel, an
der Reihe. Nach einer kurzen Phase gehemmter Auftritte,
wie Drohen und Imponieren, überfiel Finsterau, manchmal von Lusen unterstützt, Rachel in wütenden Angriffen. So mußte im Januar 1973 auch Rachel das Rudel verlassen, während das vierte Weibchen, Lusen, noch toleriert wurde.
    Zu Beginn der Ranzzeit, im Februar, wurde schließlich
auch Lusen als letzte der drei Subdominanten Weibchen
verjagt, so daß jetzt Finsterau das einzige geschlechtsreife
Weibchen im Rudel war. Die Ranghöchste hatte sie als erste,
die Rangniedrigste als letzte verdrängt. Interessanterweise
hatte Finsterau bei dem ersten Kampf mit Mädchen die
Unterstützung aller drei Altersgenossen gehabt und im weiteren Verlauf die der jeweils übriggebliebenen. Jedes der
aus dem Rudel ausgeschiedenen Weibchen wurde danach
immer wieder von Finsterau bedroht. Niemals verteidigten sie sich dabei gemeinsam, und sie zeigten weder untereinander noch zu den übrigen Wölfen des Rudels irgendwelche Ansätze zu sozialer Kontaktnahme. Als Ausgestoßene waren sie isoliert. Eine Solidarität der Schwächeren
und Unterdrückten gibt es bei den Wölfen nicht.
Dynamik und Struktur
der sozialen Rangordnung
    Ich unterbreche an dieser Stelle die Beschreibung der Rudelentwicklung. Wir haben jetzt genügend Informationen gesammelt, um das Modell der sozialen Rangordnung aus
dem vorigen Kapitel zu vervollständigen. Dazu möchte
ich zuerst einige Gesetzmäßigkeiten bei der Entwicklung
sozialer Rangbeziehungen zusammenfassen, um daraus
die Struktur der Rangordnung abzuleiten.
    Die Beziehungen zwischen zwei Wölfen A und B können entweder ohne Rangdifferenz sein, oder A ist dominant über B. Im letzteren Fall können wir drei Formen der
Beziehung unterscheiden, wobei das Verhalten um so ausgeprägter wird, je höher die umkämpfte Position ist.
    1. Stabiles Rangverhältnis : Es ist gekennzeichnet durch
häufige und freundliche Kontaktaufnahmen, durch Spielverhalten und allenfalls – wenn überhaupt – harmlose situationsbestimmte Aggressionen. B zeigt spontanes, auf leichte
Drohungen auch reaktives Demutsverhalten gegen A, dessen Rangüberlegenheit meistens nur durch den leicht höher
gehaltenen Schwanz zum Ausdruck kommt.
    2. Unterdrückungsversuche des Ranghöheren: Sie werden
manchmal zuerst im Spiel gezeigt. Kann B die Anfänge nicht
abwehren, wird das Spiel zunehmend aggressiver. Schließlich imponiert A gegen B, springt ihn an, drückt ihn drohend mit den Füßen oder gar mit dem ganzen Körper zu
Boden. B reagiert zuerst mit passiver Unterwerfung, die
zunehmend in Defensivvhalten übergeht. Es kommt zu
ersten Überfällen, worauf B von A Abstand hält. Gelingt
es ihm nicht zu fliehen, kommt es zu Beschädigungsbissen,
in der Regel gegen den Hinterkörper. Dabei wird A nicht
selten von weiteren Tieren unterstützt. Gemeinsam umstellen sie B, der sich gegen den jeweiligen Angreifer schnappend und zähnebleckend umdreht. Bei der aggressivsten
Form schließlich wird B unterdrückt durch hemmungslose Angriffe, jetzt vor allem gegen Kopf, Hals und Rükken, durch Körperschleudern und Beißschütteln. B flieht
bei jeder Annäherung von A und verteidigt sich, wenn eingeholt, durch intensives Beißen. Er ist zum Prügelknaben
geworden und verläßt in der Regel das Rudel.
3. Expansionstendenz des Rangniedrigeren : Sie kann sich
in zwei verschiedenen Formen äußern, einer gehemmten und
Verhalten zwischen zwei Wölfen (a und b)
je nach Rangverhältnis.
    einer ungehemmten. Die weitaus häufigere ist die gehemmte
Form, die sich ebenfalls zuerst im Spiel durch gelegentlich
festeres Zubeißen äußert. Wehrt A diese Anfänge nicht
genügend deutlich ab, so wird das Verhältnis zunehmend
gespannter ; es kommt zu Droh- und Imponierauftritten und
schließlich zum Ernstkampf. Dabei können beide Kämpfenden von einem oder mehreren Rudelmitgliedern Hilfe
bekommen, und zwar durch gelegentliches Zuschnappen
oder

Weitere Kostenlose Bücher