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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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geschilderte Situation der wichtigsten Rudelmitglieder kurz vor der
Ranzzeit, im Januar/Februar 1973. Von den jetzt geschlechtsreif gewordenen Weibchen war nur noch Finsterau im Rudel;
die anderen drei waren ausgestoßen. Jeder Versuch, sich
dem Rudel zu nähern, wurde durch die heftigen Angriffe
des Alpha-Weibchens verhindert. Bei den Rüden war Wölfchen der von allen akzeptierte Chef, souverän, recht friedlich und umgänglich zumindest seinen Artgenossen gegenüber. (Wir beide gingen uns nach wie vor aus dem Weg.)
Neben ihm hielten sich so auch weitere geschlechtsreife
Rüden im Rudel, darunter Näschen auf Platz zwei.
Sexualität und Paarung
    Ab Mitte Februar 1973 hatten alle vier geschlechtsreifen
Weibchen vaginale Blutungen. Monate vorher schon hatte
Finsterau sich immer wieder winselnd gegen Wölfchen gedrängt, sich vor ihm auf den Rücken gerollt, ihn im Fell
gezerrt. Jetzt wurde sie geradezu aufdringlich, doch je weiter sie ging, desto mehr zog sich Wölfchen zurück. Knapp
zwei Jahre alt, zeigte er nicht das geringste sexuelle Interesse an Finsterau. Dafür wurde Psenner um so aktiver und
bald auch Näschen. Finsterau ließ Psenner gewähren, ohne
sich viel um ihn zu kümmern, wehrte aber die Annäherungsversuche Näschens vorerst kräftig ab. Seit Näschens
Rückkehr war das Verhältnis zwischen ihnen gespannt
geblieben. Aber Näschen ließ nicht locker. Er verdrängte
Psenner und folgte Finsterau auf Schritt und Tritt, leckte
ihr das Fell und schließlich auch, von Finsterau geduldet,
ihre Genitalien. Er schlief kaum noch, fraß sehr wenig ;
seine ganze Aufmerksamkeit war auf Finsterau gerichtet.
Und sie, die in der Vorranz Wölfchen so aktiv animiert
hatte, wurde zunehmend sozial inaktiver, machte lange
Wanderungen durch das Gehege und urinierte häufig an
Büschen und Baumstümpfen. Hinter ihr lief ganz eng aufgeschlossen Näschen, dann kamen die anderen Rüden und
zuletzt die beiden einjährigen Weibchen, Tatra und Brno.
Alle waren sie um Finsterau geschart, die jetzt deutlich das
zentrale Tier war und Aktivität, Laufrichtung und Laufgeschwindigkeit bestimmte. Auch Wölfchen lief manchmal
mit diesem Rudel, schlief in seiner Nähe und wurde auch
weiterhin von allen Rudelmitgliedern freundlich-demütig
begrüßt. Aber seine zentrale Rolle im Rudel hatte er jetzt
offenbar an das Alpha-Weibchen abgetreten.
    Die anderen aus dem Rudel ausgeschiedenen Tiere hielten sich ganz abseits. Jedes von ihnen ging eigene Wege. Bei
den Weibchen hörten die Blutungen bald wieder auf, ohne
daß auch nur ein Rüde versucht hatte, sie zu decken.
    Alle Rüden, also auch der einjährige Olomouc, interessierten sich stark für die Urinstellen Finsteraus. Sie beschnupperten die Stellen im Schnee, bissen hinein und hoben danach
den Kopf, wobei die Kaubewegungen weitergingen. Die
Augen waren in typischer Weise für einige Sekunden ins
Leere gerichtet. Jeder Hunderüdenhalter kennt diese Verhaltensweise und auch ihre Ursache : den Geruch von Urin
einer läufigen Hündin; hier war es der einer Wölfin.
    Näschen hielt fast ständigen Hautkontakt mit Finsterau.
Ende Februar blieb Finsterau zum erstenmal, allerdings nur
kurz, stehen, als Näschen aufzureiten versuchte. Einige Tage
später war es dann soweit: Finsterau präsentierte, indem sie
sich seitlich an Näschen heranschob und sich vor ihn stellte.
Der Schwanz war zur Seite gebogen. Näschen ritt auf, und
nach mehreren heftigen Beckenstößen »hingen« die beiden
in der für Caniden typischen Weise. (Der Penis schwillt
in der Scheide des Weibchens an und läßt sich dann nicht
mehr herausziehen.) Finsterau fiel laut schreiend auf den
Rücken, biß um sich, aber Näschen blieb ruhig stehen, und
schließlich erhob sich Finsterau auch wieder. Die nächsten
fünfzehn Minuten standen sie aneinandergekoppelt, die
Köpfe voneinander abgewandt. Die anderen Wölfe waren
zuerst sehr interessiert, wurden aber durch das deutliche
Drohverhalten Näschens auf Abstand gehalten. Sie legten
sich neben das kopulierende Paar, und erst als dieses sich
nach rund zwanzig Minuten wieder trennte, standen sie
auf. Näschen und Finsterau leckten sich kurz an den eigenen Genitalien, und dann rannte Finsterau aufgeregt auf
Näschen zu, sprang an ihm hoch, winselte und rollte vor
ihm auf dem Rücken, ganz wie ein freundlich sich unterwerfender Wolf. Die anderen rannten ebenfalls herum –
es war ein allgemeines freundlich-aufgeregtes Umeinanderlaufen.
In den nächsten zehn Tagen

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