Der Wolf
wiederholte sich die Paarung
zwei- bis dreimal in vierundzwanzig Stunden ; dann wurde
Näschens Interesse deutlich schwächer. Finsterau aber präsentierte weiter, auch gegen Psenner und Olomouc. Beide
versuchten aufzureiten, ohne von Näschen gehindert zu
werden, doch habe ich keine weitere Paarung beobachtet.
Bald ließ auch Finsterau in ihrem Aufforderungsverhalten
nach. Die Ranzzeit war zu Ende.
Wie vor der Ranz richtete sich Näschen erneut nach Wölfchen, der wieder seine Stellung als zentrales Tier im Rudel
übernahm. Aber etwas Neues kam hinzu, etwas Unerwartetes. Näschen und Finsterau, die früher so ablehnend gegeneinander gewesen und nur aufgrund der Sexualität in der
Ranzzeit zusammengekommen waren, schienen fortan unzertrennlich. Dabei ging die Bindung von beiden aus. So, wie
Näschen, wenn Finsterau verschwunden war, nach dieser
suchte, suchte auch Finsterau nach Näschen, wenn dieser
eigene Wege ging. Sie lagen mit deutlich geringerem Abstand
zueinander, und die Häufigkeit neutraler oder freundlicher
Kontaktnahme wuchs sprunghaft. Offensichtlich war aus
der sexuellen Paarung eine soziale Bindung hervorgegangen. Da Näschen und Wölfchen ebenfalls eng zusammenhielten, bildeten diese drei Tiere jetzt gemeinsam den inneren Zirkel des Rudels, um den sich die anderen Rudelmitglieder bewegten.
Im Laufe der nächsten Monate nahm die Unterdrückung
der ausgestoßenen Weibchen durch Finsterau merklich ab.
Schönbrunn wagte sich bald in das Rudel zurück. Die ande
Paarung (Hängen) von Finsterau (links) und Näschen (rechts).
ren beiden, Rachel und Lusen, mußten jedoch weiterhin
auf Abstand bleiben, da sie von den jungen Wölfen immer
noch angegriffen wurden. Finsterau hingegen entwickelte
eine ähnlich souverän-tolerante Haltung wie der AlphaRüde Wölfchen.
Die Geburt
Noch wenige Tage bevor sie ihre Jungen bekam, war bei Finsterau äußerlich nichts zu erkennen. Sie rannte so schnell
und beweglich wie immer. Nur an ihrem Verhalten war
eine Veränderung zu spüren.
Sie grub an mehreren Stellen im Gehege kleine Löcher,
bevorzugt im Sandboden direkt unterhalb eines Baumstubbens. Meistens blieb sie im Wurzelwerk stecken. Bis Mitte
April hatte sie aber eine schöne Höhle fertig, weit weg von
der Besuchertribüne mit ihren ständigen Störungen. Die
Wahl des Höhlenplatzes war günstig, auch von der Bodenbeschaffenheit her. Im Sand ließ sich leicht graben; zudem
wurde das Höhlendach durch die weiten Wurzeln einer alten
Fichte abgestützt und die Höhle so vor einem Zusammenfallen geschützt. Finsterau hatte sich inzwischen auch die
Haare zwischen den angeschwollenen Milchdrüsen herausgerissen.
Am 29. April 1973 sah ich Finsterau morgens noch im
Gehege herumlaufen. Besonders dick war sie immer noch
nicht, aber die Milchdrüsen waren jetzt deutlich zu erkennen. Als ich am Nachmittag zurückkam, war sie nirgends zu
sehen. Näschen lag direkt am Höhleneingang, die anderen
Rudelmitglieder schliefen gemeinsam in der Nähe. Als sie
am Abend wieder aktiv wurden, zeigten sie großes Interesse für die Höhle.
Auszug aus dem Tagebuch :
»19.10 Uhr : Nach vielem freundlichem Umeinanderlaufen
um Wölfchen laufen alle Wölfe zur Höhle. Näschen steht
auf und droht laut. Die Jüngeren spielen ausgelassen. Wölfchen beteiligt sich auch daran. Schönbrunn, Rachel und
Lusen versuchen, in die Nähe der Höhle zu kommen. Nur
Alexander ist nicht zu sehen. Näschen droht gegen jeden,
der in die Nähe der Höhle kommt, auch gegen Wölfchen.
Er läßt sich auch nicht von Spielaufforderungen der anderen animieren. Jedesmal wenn wieder Winsellaute aus der
Höhle dringen, bleiben einige der Tiere stehen und drehen die Köpfe, dann spielen sie weiter ausgelassen um die
Höhle herum. Von Finsterau ist nichts zu sehen.«
Vier Tage später ging ich zur Höhle. Finsterau kam herausgeschossen und führte sich sehr aggressiv auf. Sie drohte
mit hoch aufgestellten Rückenhaaren, stampfte mit beiden
Vorderpfoten auf den Boden, hielt aber dennoch deutlich
Abstand von mir. So konnte ich in die Höhle hineinkriechen und die Welpen zählen ; es waren drei Rüden und
ein Weibchen.
Ich kroch schnell wieder heraus. Trotzdem muß dieser
Besuch für die Mutter zuviel gewesen sein. Sie stürzte in
die Höhle hinein und kam gleich wieder mit einem der
Welpen hervor. Ohne zu zögern, rannte sie zielstrebig mit
dem Welpen im Maul zu einem dreihundert Meter entfernten Steinfeld, kehrte alsbald wieder zurück und holte den
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