Der Wolf
sein, mit ihnen zu spielen, sie zu lecken
und ihnen Futter zuzutragen. Finsterau war jetzt sowieso
sehr tolerant. Nur Alexander und der inzwischen ebenfalls aus dem Rudel ausgeschiedene Psenner interessierten
sich anscheinend nicht für die Welpen und blieben weiterhin im Abseits.
Aufzucht der Welpen
Im Verhalten den Welpen gegenüber ergaben sich bald
Unter schiede zwischen den einzelnen Rudelmitgliedem.
Anfangs war natürlich die Mutter besonders besorgt um
ihre Welpen. Aber als sie nach etwa zehn Wochen mit dem
Säugen aufhörte – zum Schluß tat sie es außerhalb der Höhle im Stehen –, fiel sie im Vergleich zu den anderen Weibchen gar nicht mehr besonders auf bei der Welpenpflege.
Vor allem Lusen und Brno schleppten immer wieder größere Mengen Futter herbei, ebenso Finsteraus Bruder St.
Oswald und der junge Olomouc. Andere wiederum hielten sich zwar bevorzugt in der Nähe der Welpen auf, beteiligten sich aber kaum beim Futterzutragen ; das galt auch
für Wölfchen und Näschen, die sich dafür zu Aufpassern
entwickelten. Hörten sie einen Welpen schreien, kamen
sie sofort herbei. Als eines Tages ein Zollbeamter, der an
der nahen Grenze Patrouille ging, vom Wald her auf das
Gehege zukam, löste dies nicht wie üblich die Flucht der
Wölfe aus, sondern beide sprangen zum Zaun, um den
Fremden anzugreifen.
Abgesehen von dieser Aufpasserrolle hatten Wölfchen
und Näschen mit den Welpen jedoch nicht viel im Sinn.
Kamen die Kleinen herbeigetrottet, so ließen sie diese einige
Minuten lang über sich krabbeln, sich an Fell und Schwanz
ziehen, legten sich dann aber bald weiter weg. Der direkte
Kontakt zu den Welpen war mehr das Geschäft der jüngeren Wölfe, die ihnen das Fell leckten oder lange und ausgiebig mit ihnen spielten.
Auch in den nächsten Jahren habe ich eine ähnliche Arbeitsteilung bei der Aufzucht der Welpen beobachtet. In
den ersten Tagen nach der Geburt trug vor allem der Vater
Futter zur Mutter, die sich jeweils nur für wenige Minuten von den Welpen trennte. Als die Welpen zunehmend
festes Futter aufnahmen, wurde ihnen auch von anderen
Rudelmitgliedern Futter zugetragen, vor allem aber weiterhin von der Mutter und einigen jüngeren Helfern. Und
während der Vater sowie ein oder zwei ranghöhere Rüden
in der Umgebung der Höhle stundenlang Ausschau hielten, waren es die Ein- bis Zweijährigen, hier vor allem die
weiblichen Wölfe, die sich besonders um den direkten Kontakt zu den Welpen bemühten. Auch wenn das Rudel in
den Morgen- und Abendstunden lange Wanderungen im
Gehege unternahm, blieben diese Tiere häufig bei den Welpen zurück.
Im Alter von drei Monaten schliefen die Welpen nicht
mehr in der Höhle und flüchteten bei Gefahr auch nicht
mehr dort hinein. Sie hielten sich jetzt in einem schwer
zugänglichen Gebiet auf mit dichter Unterholzvegetation,
umgefallenen Bäumen und großen Felsbrocken. Von hier
aus machten sie gemeinsam immer weitere Ausflüge, wobei
sie stets von mindestens einem jüngeren Aufpasser begleitet wurden. Waren die Ausflügler zurückgekehrt, entwickelten sich in dem Refugium wilde Spiele, an denen manchmal alle Rudelmitglieder beteiligt waren. Bei jeder Fütterung wurde das Futter für die Welpen dorthin getragen.
Es war immer eine friedliche Zeit im Rudel.
In diesem Jahr sollte der Friede allerdings nicht lange
andauern. Schon gegen Ende des Sommers 1973 nahmen die
aggressiven Auseinandersetzungen wieder zu, und erneut
traf die Aggressivität zuerst die Rangniedrigeren. Psenner
war schon ausgeschlossen ; jetzt wurde auch St. Oswald,
zuerst von Näschen, dann bald auch von der »Halbstarkenbande«, angegriffen, verstand es aber, durch immer wiederholte Spielaufforderung die Aggressivität gegen sich in
Spielverhalten umzuleiten. Es war geradezu phänomenal,
wie er bei jeder Drohung und jedem Angriff sofort zu spielen anfing und so das Schlimmste verhinderte. Rachel und
Lusen waren hingegen nicht so geschickt. Schon als Finsterau sie zum erstenmal angriff, flohen sie – wohl in Erinnerung an frühere Zeiten. Dies löste bei den anderen Rudelmitgliedern sofort auch aggressives Verhalten aus. Sie rannten hinterher, und die Gejagten, jetzt von so vielen verfolgt,
rannten noch schneller. Dies wiederum animierte die Verfolger zum weiteren Angriff. So genügte ein einziger von
Finsterau eingeleiteter und von den anderen aufgenommener Angriff, um die beiden, eine nach der anderen, wieder
aus dem Rudel zu verjagen.
Im Herbst 1973 wurde Näschen
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