Der Wolf
immer aggressiver gegen
den Alpha-Rüden Wölfchen. Gleichzeitig zeigte Olomouc,
der früher überschwengliches Demutsverhalten gegenüber
den beiden ranghöchsten Rüden gezeigt hatte, dieses Verhalten nur noch gegenüber Wölfchen. Gegen Näschen wurde
er indessen immer aufsässiger. Näschen protestierte gelegentlich dagegen, etwa wenn Olomouc ihm nicht aus dem
Weg ging, war aber ansonsten so sehr mit Wölfchen, also
seiner eigenen Expansionstendenz nach oben, beschäftigt,
daß er diese Expansionstendenz des Jüngeren wohl nicht
richtig einschätzte. Zwischen Näschen und Wölfchen verlief
die Auseinandersetzung ganz nach dem üblichen Schema,
und so kam es Anfang Dezember 1973 zu dem erwarteten
Ernstkampf. Schon nach wenigen Minuten gingen die beiden auseinander, ohne daß vorerst einer als Sieger hervorgegangen war. In den nächsten Tagen kam es immer wieder
zu neuen Kämpfen, und schließlich hielt Wölfchen deutlich Abstand von Näschen und dem Rudel. Näschen hatte
den Kampf wenn auch nicht durch »K. O.«, so doch durch
»Punktsieg« gewonnen.
Olomouc beteiligte sich an diesen Kämpfen überhaupt
nicht, veränderte aber sein Verhalten gegenüber Wölfchen
schlagartig, nachdem dieser nicht mehr über Näschen dominant war. Statt Demuts- zeigte er jetzt Imponierverhalten,
wogegen Wölfchen nichts unternahm. So hatte Olomouc
inzwischen den zweiten Platz unter den Rüden erreicht,
ohne dafür selbst auch nur ein einziges Mal gekämpft zu
haben. Auch gegen den neuen Alpha-Rüden Näschen zeigte
er kein Demutsverhalten, ging aber Näschen vorerst noch
aus dem Weg.
Im Januar 1974 setzte die Ranzzeit wieder ein. Näschen
war, wie im Jahr zuvor, unermüdlich bei Finsterau. Auch
Olomouc und sogar Wölfchen, der als Alpha-Rüde niemals
sexuelle Interessen gezeigt hatte, waren jetzt an Finsterau
interessiert. So hatte Finsterau ein Gefolge, bestehend aus den
drei erwachsenen Rüden und ihren drei jetzt zehn Monate
alten Söhnen. An erster Stelle lief Näschen. Er wehrte jeden
Kontaktversuch der anderen Rüden von Finsterau ab. Am
31. Januar hingen die beiden zum erstenmal. Olomouc und
Wölfchen waren sehr aufgeregt bei diesen und den folgenden Kopulationen zwischen Näschen und Finsterau, und
zum erstenmal sah ich zwischen erwachsenen Rüden ausgedehntes »homosexuelles« Verhalten, bei dem meistens
Wölfchen auf Olomouc aufritt.
An den folgenden dreizehn Tagen hingen Näschen und
Finsterau mehrmals täglich. Für Näschen muß das sehr
anstrengend gewesen sein; er wich nicht von der Seite Finsteraus, und ständig mußte er die anderen Rüden von der
Wölfin fernhalten. Schließlich muß es ihm zuviel geworden sein, denn Mitte Februar sah ich plötzlich Olomouc
mit Finsterau hängen, ohne daß Näschen etwas dagegen
unternahm ; er stand nur da mit hängendem Kopf. Nach
der Kopulation lief Olomouc dann mit gehobenem Schwanz
und federnden Schritten an Näschen vorbei. Er hatte sehr
geschickt Näschens körperliche Schwäche ausgenutzt und
übernahm jetzt nicht nur die Alpha-Position, sondern auch
das Weibchen. Als Näschen am nächsten Tag wieder auf
Finsterau aufzureiten versuchte, sprang ihn Olomouc an,
und Näschen fiel auf den Rücken. Einen ähnlich unkämpferischen Aufstieg auf Platz eins habe ich bei den Wölfen
nie wieder beobachtet.
An den folgenden drei Tagen hingen Olomouc und Finsterau noch einige Male, dann war für Finsterau die Hitze
zu Ende. Doch im Gehege gab es neben ihr fünf weitere
geschlechtsreife Weibchen, von denen alle vaginale Blutungen zeigten. Zwei von ihnen, Rachel und Lusen, lebten
ganz abseits, und keiner der Rüden interessierte sich für sie.
Tatra und Brno, jetzt knapp zwei Jahre alt, wurden zwar
weiterhin im Rudel von Finsterau toleriert, fanden jedoch
ebenfalls keinen Interessenten und zeigten selber auch kein
Aufforderungsverhalten. Schönbrunn hingegen hatte schon
im Herbst Wölfchen immer wieder umworben. Jetzt, in der
Ranzzeit, schien sie damit Erfolg zu haben, denn Wölfchen
verlagerte langsam sein Interesse von Finsterau auf Schönbrunn. Jedesmal aber, wenn er auf Schönbrunn aufzureiten
versuchte, kamen Finsterau, Näschen und Olomouc herbeigerannt und trennten sie durch intensive Angriffe. So
fanden die beiden niemals ausreichend Zeit für das lange
Vorspiel, das der Kopulation offenbar vorausgehen muß.
Ich sah auf jeden Fall keine Kopulation, und zwei Monate
später gebar allein Finsterau Junge ; es waren, wie schon
gesagt, sieben Welpen. Auch
Weitere Kostenlose Bücher