Der Wolfsthron: Roman (German Edition)
plötzlich nicht mehr darum, ob sie an der Beerdigung teilnehmen sollte, sondern wie sie es tun sollte, ohne dabei in Gefahr zu geraten.
Also würde Prinzessin Raisa bekommen, was sie wollte. Wie es bei Prinzessinnen so üblich war.
Reid Nightwalker Demonai und die frischgebackene Night Bird waren ebenfalls da. Mehrmals spürte Han, wie Birds Blick auf ihm ruhte. Er tat, als würde er es nicht bemerken.
Nightwalker war ein anderes Kaliber. Han konnte spüren, dass der Demonai-Krieger ihn wie eine Zecke unter der Haut empfand. Er gab sich daher alle Mühe, seinen finsteren Blick herauszufordern, so als wären sie rivalisierende Streetlords.
Die Gedenkfeier würde an der südlichen Flanke des neu benannten Marianna-Gipfels nördlich des Vales stattfinden; immerhin war es neutraler Boden, und wenn dabei überhaupt eine Seite leicht im Vorteil war, dann die Clans.
Han kannte die Stelle, denn er hatte in diesem Gebiet zusammen mit Dancer und Bird gejagt, auch wenn das schon eine ganze Weile her war. Die Flatlander hatten dem Berg den Namen Kamelrücken gegeben, während die Clans eine etwas delikatere Beschreibung für die beiden Hügel des Gipfels hatten. Jetzt würden beide Namen zugunsten von Marianna abgeschafft werden.
Die Begräbnisstätte war von den nördlichen Bergen aus über einen hohen Pass zu erreichen, was allerdings um diese Jahreszeit gar nicht so einfach sein würde.
»Bevor wir weitermachen«, sagte Averill Lightfoot und warf einen Blick auf Han und Dancer, »möchte ich, dass ihr etwas wisst.«
Sämtliche Blicke richteten sich jetzt auf den Demonai-Patriarchen.
»Bei meiner gestrigen Rückkehr in die Stadt habe ich die Demonai-Krieger, die meiner Wache zugeteilt worden waren, darum gebeten, den Garten der Königin noch einmal zu durchsuchen. Ich wollte, dass sie nachsehen, ob es irgendwelche Hinweise gibt, die die Wache von Königin Marianna möglicherweise übersehen hat.« Er wandte sich an Amon. »Womit ich keinesfalls die Arbeit der Wache insgesamt kritisieren möchte.«
»Das habe ich auch nicht so aufgefasst«, sagte Amon vollkommen gelassen.
Averill nickte und legte Bird eine Hand auf die Schulter. »Night Bird, kannst du uns zeigen, was du gefunden hast?«
Jetzt richteten sich alle Blicke auf Night Bird. Sie kniete sich hin, kramte in ihrer Tasche herum und holte einen in Leder gewickelten Gegenstand hervor, den sie auf den Boden legte. Dann entfernte sie die Umhüllung.
Es war ein altmodisches Magieramulett – ein Wirrwarr von Blättern und Vögeln in Weiß- und Gelbgold. Die schön gearbeiteten Einzelheiten waren durch die häufige Benutzung zum Teil ziemlich abgegriffen.
»Wo genau hast du das gefunden?«, fragte Averill.
»Es lag in den Rosenbüschen unterhalb der Terrasse der Königin«, sagte Bird und hockte sich auf ihre Fersen. Sie legte die Hände in den Schoß. Obwohl es Han früher einmal leichtgefallen war, Birds Gedanken zu lesen, konnte er sie jetzt kaum mehr erkennen.
»Hat das jemand schon mal gesehen?«, fragte Averill. »Weiß irgendjemand hier, welcher Fluch… welcher Magier ein solches Amulett trägt?«
Alle schüttelten den Kopf. Han verdrehte die Augen. Es war nicht überraschend, dass niemand es kannte. Die meisten von denen, die hier saßen, hatten nie etwas mit Magiern zu tun, wenn es sich vermeiden ließ.
Dancer streckte eine Hand aus. »Darf ich mal einen Blick darauf werfen?«
Bird nickte, und Dancer nahm das Amulett, wog es in den Händen und drehte es so herum, dass es das Fackellicht einfing. »Es ist ein altes Stück«, sagte er schließlich. »Wenn auch erst aus der Zeit nach der Zerstörung. Die Magie hat sich fast vollständig entladen. Und es ist kürzlich benutzt worden.« Er sah auf. »Ich vermute, wenn wir herumfragen, würden wir erfahren, dass jemand dabei gesehen wurde, wie er dieses Amulett benutzt hat.«
»Aber wen sollten wir denn fragen?«, fragte Nightwalker. »Den Magierrat? Wieso sollte er uns die Wahrheit sagen?«
»Wir werden die Amulettschmiede im Demonai-Camp fragen«, bestimmte Averill. »Vielleicht erinnert sich jemand daran, dass er dieses Amulett irgendwann erneuert hat.«
Han nahm Dancer das Stück aus der Hand und wog es in seiner eigenen. »Schwer vorstellbar, dass ein Magier dieses Amulett fallen gelassen haben könnte, ohne es zu bemerken«, stellte er stirnrunzelnd fest. »Oder dass er es einfach liegen gelassen haben könnte, falls das so war.«
Er begegnete dem Blick von Bird, und sie sah verlegen auf ihre
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