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Der Wolfsthron: Roman (German Edition)

Der Wolfsthron: Roman (German Edition)

Titel: Der Wolfsthron: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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können? Oder waren sie in dem ersten Scharmützel eines unerklärten Krieges gestorben?
    Raisa ballte ihre behandschuhten Hände zu Fäusten; sie war so launisch wie ein Dachs, der mit einem Fuß in einer Falle steckte. Die Wache der Königin hatte gelernt, sie mit Samthandschuhen anzufassen, um sich nicht einen unverdienten Rüffel einzufangen.
    Die Landschaft wurde immer lieblicher, je weiter sie die sumpfigen Ebenen von Tamron hinter sich ließen und in das Bergvorland aufstiegen. Die Zypressen wichen den Ahornen und Eichen, die im frischen Grün des Frühlings erstrahlten und dann ihrerseits den Espen und Kiefern Platz machten.
    Sie verbrachten die Nacht in Delphi, dem Stadtstaat zwischen Arden und den Fells, der Kohle, Eisen und Stahl an alle Länder der Sieben Reiche lieferte. Die Stadt wimmelte nur so von Flüchtlingen aus Arden und Tamron, denn solange noch Schneestürme um die Gipfel heulten und der Schnee noch hoch in den Tälern lag, wagten es nur Narren und Verzweifelte, über den Pass zu reisen.
    Byrne tauschte Ghost bei einer Pferdehändlerin gegen ein stämmiges Bergpony ein, das sich um diese Jahreszeit besser für den Weg über den Pass eignete. Die Händlerin war so erstaunt über das gute Geschäft, dass sie sogar einen schönen, clangefertigten Sattel und Zaumzeug mit Silberbeschlägen dazugab.
    Das neue Pony war eine struppige, scheckige graue Mähre mit weißer Mähne und weißem Schweif. Raisa vermisste ihre Stute Switcher, die sie bei ihrer Flucht vor Gerard Montaigne zurücklassen musste. In Erinnerung an ihr treues Pferd taufte sie das neue Pony spontan auf denselben Namen – so musste sie sich wenigstens nicht auch noch an einen neuen Namen gewöhnen.
    Diese Nacht verbrachte Raisa in einem Zimmer, das an die gesamte elfköpfige Truppe für den unverschämten Preis von je einer Krone pro Person vermietet worden war. Raisa lag allein in einem Bett, dessen Matratze sich klumpig anfühlte, während ihre Wache ausgestreckt wie eine Reihe übergroßer Welpen auf dem Boden um sie herumlag. Sie waren älter als sie, wenn auch nicht sehr viel.
    Einige schliefen tief und fest, schnarchten und murmelten im Traum vor sich hin. Raisa beneidete sie um ihre Fähigkeit, sich einfach hinlegen und sofort einschlafen zu können. Andere spielten Karten oder lasen im Licht der Kerzen, von denen jede einzelne eine weitere Krone gekostet hatte. Selbst wenn Raisa zur Toilette ging, schickte Hauptmann Byrne eine Eskorte mit auf den Weg. Sie war sich nie ganz sicher, ob dies ihrem Schutz diente oder verhindern sollte, dass sie weglief. Als sie ihn einmal danach fragte, hatte er erwidert: »Um Euch zu beschützen, Eure Hoheit. Was sonst?«
    Am nächsten Tag brachen sie erneut so weit vor der Morgendämmerung auf, dass die Sterne noch am Himmel standen. Byrne hoffte, bei Einbruch der Nacht den Pass hinter sich zu haben. Im Sommer war eine solche Reise lediglich eine mühsame Herausforderung; jetzt aber war diese Herausforderung nahezu unmöglich. Vermutlich war es sogar regelrecht dumm, sie überhaupt anzunehmen.
    Oberhalb von Delphi verwandelte sich die gepflasterte Straße in einen losen, von Wagenspuren zerfurchten Weg, der sich schließlich zu etwas entwickelte, das kaum mehr als ein zu beiden Seiten von Granitblöcken gesäumter Wildpfad war. Der Pfad war so schmal, dass sie hintereinander reiten mussten. Es dauerte nicht lange, bis auf den im Schatten liegenden Flächen beiderseits des Pfades vereinzelte Schneeflecken auftauchten. Gegen Mittag war bereits alles weiß, und sie ritten über eine feste Schnee- und Eisdecke. Am Nachmittag fanden sich überall dort, wo der Wind hindurchfegen konnte, Schneewehen.
    Von den Wacholderzweigen, die auf den Pfad hinausragten und die Luft mit ihrem scharfen und süßen Geruch erfüllten, rieselte Schnee auf die Reiter herab. Immerhin schützte sie der Wald bis zur Baumgrenze noch einigermaßen vor dem kalten Wind.
    In der Nacht zuvor hatte ein Sturm die Zweige und Äste mit Eis überzogen, die jetzt im Sonnenlicht glitzerten, während sie sich in der Brise leicht bewegten. Spuren von Schneehasen und anderen kleinen Wildtieren kreuzten ihren Weg. Raisa bewegte die Finger in ihren Handschuhen; sie fragte sich, ob sie den Bogen wohl würde spannen können, den Byrne ihr gegeben hatte und den sie in der Satteltasche aufbewahrte.
    Angesichts der Tatsache, dass sie verärgert genug war, um jederzeit auf jemanden losgehen zu können, wäre es der Wache wahrscheinlich lieber

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