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Der Wolfsthron: Roman (German Edition)

Der Wolfsthron: Roman (German Edition)

Titel: Der Wolfsthron: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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gewesen, sie wäre unbewaffnet geblieben.
    Erst jetzt begriff sie, wie sehr sie das Reiten in den Bergen der Fells vermisst hatte. In Odenford war sie von der Arbeit so in Anspruch genommen worden, dass sie nur wenig Zeit gehabt hatte, einfach zum Vergnügen auszureiten. Und in den militärischen Reitstunden war es nur darum gegangen, wie die Flatlander ihre berittenen Soldaten im Krieg einsetzten. Die Kadetten der Flatlands ritten in einer präzisen Formation über die ausgedehnte Landschaft; sie führten ihre Pferde wie Tänzer bei Hofe – todbringende Tänzer, die vor Waffen nur so strotzten.
    Raisa drängte Switcher, schneller zu laufen; aufgrund ihres leichten Gewichts konnte sie der Wache locker davonreiten. Höher und höher kletterten sie durch wogende Muster aus Sonnenlicht und Schatten, während ihr vereiste immergrüne Zweige ins Gesicht peitschten. Ihr Atem bildete Wölkchen und legte sich in Kristallen auf ihre Haare und ihre Wollkapuze.
    Schließlich erklomm Raisa die Kuppe des Berges und zügelte ihr Pony.
    Jenseits eines breiten Tals erstreckten sich vor ihr die Spirit-Mountains: eine ganze Reihe von Gipfeln, teilweise von Schnee und Wolken verhüllt. Die grünen Spitzen der Fichten und prächtigen Birken sorgten dafür, dass die unteren Hänge scheckig wirkten. In den Tälern, die von der Sonne noch nicht erreicht wurden, herrschte das kühle Blau der Schatten über die Schneeflächen. Nebel trieb durch die Luft, verbarg und offenbarte abwechselnd die düsteren Gipfel aus grauem Granit. Die kalte Stimme der Spirits rief nach ihr, und etwas in ihr antwortete.
    Hier weilten ihre Ahnen, das Blut und die Gebeine der Highland-Königinnen. Ein Stück weiter vorn befand sich – verborgen im Vale – die Stadt Fellsmarch. Wo ihre Mutter wartete – jene Mutter, die möglicherweise an dem Plan, sie zu enterben, beteiligt war.
    Switcher stand mit gespreizten Beinen da und keuchte trotz Raisas geringen Gewichts. »Tut mir leid«, murmelte sie und strich der Stute über den Hals. Sie wusste, dass ihnen der anstrengendste Teil des Weges erst noch bevorstand. Bei den südlichsten Königinnen-Gipfeln handelte es sich um sanfte, uralte Matriarchinnen, abgeschliffen von den Hexenwinden, die nach der Sonnenwende aus dem Norden herunterstürmten. Diese Berge waren so alt, dass niemand mehr ihre Namen kannte.
    Direkt vor ihr jedoch befand sich die grübelnde Hanalea, der größte und schrecklichste Gipfel von allen. Dampfschwaden stiegen von den heißen Quellen, den Geysiren und Schlammlöchern empor, wo ihr feuriges Inneres durch die dünne Erdkruste stieß. Ihr Name würde niemals in Vergessenheit geraten, solange ihr Volk sich an die Große Zerstörung erinnerte und sich an die F u egung hielt.
    Südwestlich von ihr befand sich Tamron Court, wo Amon Byrne von Montaignes Armee festgehalten wurde. Ein Stück weiter östlich lag Odenford, wo Raisa Han Alister zurückgelassen hatte, ohne sich zu verabschieden.
    Wieder sammelte sich der Schmerz unter ihrem Brustbein und schnürte ihr die Luft ab. Vielleicht war es kein richtiger Kummer, aber … nun ja, es war Trauer um die Worte, die niemals gesprochen werden würden, Trauer um eine Liebe, die nie vollzogen werden würde, und um einen Freund, dessen Leben in hoffnungsloser Gefahr war.
    Vielleicht war es besser so. Besser für Han, zumindest. Sofern Raisa überlebte, war sie dazu bestimmt, eine politische Heirat einzugehen. Han hatte bereits seine Familie und die meisten seiner Freunde verloren. Wenn er sich weiterhin in die tückischen Machenschaften des Grauwolf-Hofes einmischte, würde ihm das wahrscheinlich den Tod bescheren. An der Akademie von Odenford hatte er eine gute Figur gemacht. Besser, er blieb dort und vergaß sie.
    Vielleicht tat er das bereits.
    Sie packte die Zügel fester und starrte geradeaus nach vorn, holte tief Luft und biss sich auf die Unterlippe. Plötzlich konnte sie nichts mehr von dem erkennen, was vor ihr lag.
    Während ihre Wache sich um sie herum aufstellte, hörte sie das Knarren von Sätteln, Hufgetrappel auf felsigem Grund und die sanften Laute, mit denen die Pferde einander begrüßten. Sie atmete den Geruch von feuchter Wolle und von den Soldaten ein, die schon zu lange unterwegs waren.
    »Eure Hoheit.«
    Raisa zuckte zusammen; sie starrte immer noch nach vorn.
    »Eure Hoheit, bitte«, sagte Byrne. »Ich wünschte, Ihr würdet nicht darauf bestehen, so weit vorauszureiten.«
    Endlich drehte sie sich im Sattel um. Sie sah in sein vom

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