Der Wolfsthron: Roman (German Edition)
»Wart ihr beide zu dem Zeitpunkt in der Stadt?«, fragte Willo und sah von Amon zu Averill.
Averill nickte. »Korporal Byrne war gerade mit der Nachricht eingetroffen, dass Raisa aus Odenford verschwunden war.«
»Ich wusste, dass Ihr im Norden wart, zusammen mit … mit meinem Vater, und dass Ihr versuchen würdet, nach Hause zurückzukehren«, sagte Amon und sah Raisa an. »Ich wusste, dass Ihr in Gefahr, aber noch am Leben seid. Deshalb habe ich mich mit Lord Demonai und Nightwalker getroffen, um Pläne zu schmieden. Um darüber zu diskutieren, ob wir Euch eine Wache entgegenschicken sollen.«
»Nightwalker war auch da?« Raisa sah von ihrem Vater zu Amon. Sie wusste, dass Nightwalker nur selten ins Vale kam, wenn es sich vermeiden ließ.
Averill nickte. »Seit zwei Monaten war er immer mal wieder da. Ich habe ihn gebeten, mich zusammen mit einer Handvoll Demonai-Kriegern zu unterstützen.« Er zögerte, als wollte er angesichts des gegenwärtigen Unheils nicht noch mehr beunruhigende Nachrichten vorbringen. »Die Spannungen im Magierrat sind enorm, und ich brauchte eine Wache, der ich vertrauen konnte.«
Die Bedeutung dieser Worte legte sich wie ein schwerer, nasser Umhang auf Raisas Schultern und verstärkte ihren Kummer noch mehr. Der Gemahl der Königin und der Magierrat hatten einander bekämpft, seit sie denken konnte, aber nie zuvor hatte der ehemalige Demonai-Krieger Averill Lightfoot sich veranlasst gesehen, eine Wache aus Demonai zusammenzustellen.
»Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass Nightwalker zum Marisa-Pines-Camp gehen sollte, um nachzusehen, ob es irgendeine Nachricht von dir gibt. Er war bereits unterwegs, als … als wir von Mariannas Tod erfahren haben.«
»Hat irgendjemand gesehen, wie es passiert ist?«, fragte Elena.
Averill schüttelte den Kopf. »Die Königin hatte sich zum Ausruhen in ihr Schlafzimmer zurückgezogen«, erzählte er. »Als Magret sie zum Essen wecken wollte, war das Bett leer, und die Türen zum Balkon standen offen. Magret ist offenbar nach draußen gegangen und hat gesehen, dass … sie hat Marianna unten auf dem Pflaster liegen sehen.«
Raisa versuchte, das Bild aus ihrem Kopf zu vertreiben. »Magret?« Sie sah von Averill zu Amon. »Magret Gray hat der Königin gedient?«
Averill nickte. »Marianna hat in den letzten Wochen ausdrücklich nach ihr verlangt. Sie schien sich in Magrets Gegenwart besser entspannen zu können als bei irgendjemandem sonst.«
Da fiel Raisa der Traum wieder ein, in dem Königin Marianna auf ihrem Balkon gestanden hatte. Da war ein Geräusch gewesen, und sie hatte sich umgedreht …
»War Magret die ganze Zeit im Vorzimmer?«, flüsterte Raisa.
Averill schüttelte den Kopf. »Sie hat sich abwechselnd um Prinzessin Mellony und Königin Marianna gekümmert. Da Marianna geschlafen hatte, war sie bei der Prinzessin.«
»Und die Wache der Königin? Wo war sie?«, wollte Elena wissen.
»Vor der Tür«, sagte Averill. Er machte eine Pause und sah Amon an. »Zumindest sagen sie das.«
»Wer hatte Dienst?«, fragte Raisa. »Sind diejenigen … vertrauenswürdig?«
Amon räusperte sich und nannte die Namen von einem halben Dutzend Menschen, von denen Raisa nicht einen einzigen kannte. »Ich kenne drei von ihnen persönlich«, sagte Amon, als hätte er ihre Gedanken erraten. »Und die drei sind gute Soldaten. Und loyal.«
»Loyal oder nicht«, warf Elena ein, »wie schwer dürfte es wohl für einen Magier sein, an ihnen vorbeizukommen? Man sollte sich fragen, wo die Bayars zu dieser Zeit waren.«
Willo packte Raisas Schulter ein wenig fester. »Elena«, sagte sie. »Wir müssen nicht …«
»Schon in Ordnung – wo waren sie?«, fragte Raisa und zog den Pelz fester um sich. »Weiß das jemand? Sind Micah und Fiona aus den Flatlands zurückgekehrt?«
Averill nickte. »Sie sind seit mindestens einer Woche wieder zurück, haben sich aber bis vor ein paar Tagen auf dem Besitz der Bayars auf Gray Lady verborgen. Lord Bayar hat dort häufig an Versammlungen des Magierrats teilgenommen. Auch in der Nacht, in der Königin Marianna gestorben ist – sofern man seinen Worten Glauben schenken will, natürlich. Es gibt keine anderen Zeugen als die Mitglieder des Rates.«
»Und niemand – niemand hat die Leiche der Königin im Innenhof liegen sehen, bis Magret Alarm geschlagen hat?«, fragte Raisa.
Averill schüttelte den Kopf. »Der Balkon befindet sich über dem Innenhof mit dem privaten Garten der Königin«, sagte er, »und da
Weitere Kostenlose Bücher