Der Wolfsthron: Roman (German Edition)
diesen Weg wahrscheinlich für aussichtsreich gehalten.«
»Hoheit, wir würden niemals …«, fing Elena an.
»Welche Möglichkeit hättet ihr denn gehabt?«, unterbrach Raisa sie. »Wen sonst würdet ihr bekommen? Meine Kusine Missy Hakkam?« Raisa erschauerte. »Mellony wäre die einzige noch lebende Erbin des Grauwolf-Geschlechts.«
Wir sind die ganze Zeit überlistet worden. Wir haben die Rücksichtslosigkeit unserer Feinde unterschätzt. Und wenn Edon Byrne und Hanson Alister nicht gewesen wären, hätten sie bereits gewonnen.
Sie, sie, sie, dachte Raisa. Ich muss vorsichtig sein. Wie Willo gesagt hat, haben wir keine Beweise, dass es die Bayars waren. Noch nicht.
Und wenn es die Bayars doch waren, welche von ihnen dann genau? War Micah daran beteiligt?
Aber wer sonst könnte es auch sein? Wer sonst hätte ein Interesse daran, Mellony auf dem Thron zu sehen? Oder gab es noch andere Beweggründe, die sie nicht kannte? Hatte sie vielleicht persönliche Feinde? Gerard Montaigne zum Beispiel? Er würde von einem Machtvakuum in den Fells profitieren.
»Was sagen die Leute?«, fragte Raisa in die angespannte Stille hinein. »Im Schloss und auf den Straßen?«
»Es gibt ein wenig Gerede«, antwortete Averill. Er hielt inne und suchte in Raisas Gesicht nach der Erlaubnis weiterzusprechen. »Im Schloss wird gemunkelt, dass die Königin sich selbst das Leben genommen hat«, sagte er. »Dass sie zu viel getrunken hatte. Dieses Gerede ist weitverbreitet und hält sich hartnäckig.«
Ich frage mich, wie das angefangen hat, dachte Raisa bitter. Hör zu und lerne. Zeige irgendein Anzeichen von Schwäche, und deine Feinde werden sich darauf stürzen.
»Und … außerhalb des Schlosses?«, fragte Raisa.
»Die Leute machen sich Sorgen«, sagte Averill. »Sie wissen, dass du vermisst wirst, und sie fragen sich, was jetzt passieren wird. Sie wissen nichts von Mellony, während du die Unterstützung der arbeitenden Bevölkerung hast. Wegen der Dornenrosen-Stiftung.«
Ein beunruhigender Gedanke stieg in Raisa auf. »Wer weiß sonst noch, dass ich am Leben bin?«, fragte sie und schaute die anderen der Reihe nach an. »Ihr habt meinen Vater benachrichtigt. Ist die Wache informiert worden oder der Rat der Adeligen oder …«
»Ich habe niemandem in der Stadt von dem Angriff berichtet«, sagte Averill. »Wer auch immer also dahintersteckt, wird sich wahrscheinlich fragen, was passiert ist. Und sich Sorgen machen, dass du plötzlich auftauchen könntest.«
»Die Leute im Camp reden«, erzählte Willo. »Obwohl ich Euch sofort in die Matriarchinnen-Lodge gebracht habe, als ich Euch erkannt habe. Aber Ihr seid mitten am Tag angekommen, und die Demonai hätten Hunts Alone fast erschossen, als er Euch hergebracht hat.« Sie fuhr sich mit der Hand müde über die Stirn. »Es gehen Gerüchte um, aber nur meine Lehrlinge wissen, wer Ihr wirklich seid.«
»Nun«, sagte Raisa, »ich hoffe, wir können die Nachricht innerhalb des Camps bewahren, bis wir – bei den Gebeinen!« Sie schlug sich mit der Faust in die andere Handfläche, als ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss. »Das wird nicht funktionieren, wenn auch nur irgendeiner von denen, die versucht haben, mich zu töten, nach Fellsmarch zurückkehren sollte und erzählt, dass ich entkommen bin. Wenn einer der Attentäter noch lebt, werden sie in der Stadt auf meine Rückkehr warten.«
»Hoffen wir, dass Hunts Alone in ein oder zwei Tagen gesund genug ist, um ein paar Fragen zu beantworten«, sagte Willo.
Han. Eine Woge aus Müdigkeit und Verzweiflung überfiel Raisa, und sie lehnte sich zurück und schloss die Augen.
»Hoheit«, sagte Willo. »Ihr müsst Euch ausruhen. All diese Probleme werden auch morgen noch da sein.«
Raisa nickte; sie wünschte sich, es wäre nicht so. Sie wünschte sich, sie könnte schlafen und in einer Welt aufwachen, in der ihre Mutter noch lebte. Einer Welt, in der sie noch ein bisschen länger sicher und geborgen sein würde.
KAPITEL DREIZEHN
Zwei Verwundete
F ür die Nacht verteilten sich die anderen auf verschiedene Unterkünfte. Willo schlief auf einer Pritsche in Han’s Zimmer, für den Fall, dass er irgendetwas benötigen sollte. Amon hätte sich am liebsten in seinen Kleidern vor den Gemeinschaftsraum gelegt, in dem Raisa schlief, aber Willo hatte den Lehrlingen aufgetragen, eine Pritsche für ihn aufzustellen.
Obwohl Raisa müde war, konnte sie einfach nicht schlafen, geschweige denn bequem liegen. Ihr Rücken schmerzte trotz des
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