Der Wolfsthron: Roman
Begräbnisstätte hinunterritten. Unter ihnen war auch Bird, die von Nightwalker in diese Gruppe eingeteilt worden war.
Raisa setzte sich mit einer Ausgabe von Das Buch der Tempelgebete und Liturgien , das sie von Marisa Pines mitgenommen hatte, auf den Boden. Han und Dancer ruhten sich unter einem Baum aus und unterhielten sich leise. Sie berührten ihre Amulette mit den Händen, um in der noch verbleibenden Zeit so viel Macht wie möglich zu sammeln. Reid Nightwalker und seine Krieger verfolgten die Geschehnisse weiter unten. Willo, die ebenfalls zurückgeblieben war, ordnete die Kleiderbündel, die sie aus ihren Satteltaschen geholt hatte.
Raisa las mehrmals die Passagen, die sie benötigen würde. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, während sie stumm die machtvollen Worte sprach und versuchte, sie sich einzuprägen.
Raisa hatte die Gebete zur Vorbereitung auf ihren Namenstag gelernt, aber sie hatte noch nie an einem Staatsbegräbnis teilgenommen. Ihre Großmutter Königin Lissa war noch vor ihrer Geburt gestorben. Auch Marianna hatte den Thron sehr jung bestiegen. Raisa fragte sich, ob ihre Mutter diese Aufgabe vielleicht besser gemeistert hätte, wenn sie mehr Zeit gehabt hätte, um hineinzuwachsen.
Jetzt stand Raisa vor der gleichen Herausforderung. Würde es auch für sie zu schnell zu viel Macht sein?
Da unterbrach ein Geräusch ihre Gedanken. Sie sah auf und stellte fest, dass Nightwalker vor ihr stand. »Die Prozession mit Königin Mariannas Leiche kommt gerade den Berg hoch«, sagte er. »Wir sollten jetzt gehen.«
Raisa stand auf, und Nightwalker legte ihr seine Hände auf die Schultern, beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Alles Gute für heute, Thorn Rose«, sagte er. Dann wanderte sein Blick zu Han und Dancer, ehe er wieder sie ansah. »Und sei wachsam.«
»Es wird alles gut werden, warte es nur ab«, sagte Raisa und sah Nightwalker fest in die Augen. Sie wollte ihn davon überzeugen. Sie wollte es wahr werden lassen.
»Ich hoffe, du hast recht«, antwortete Nightwalker. »Das hier ist schwierig für mich.« Er lächelte leicht, neigte den Kopf und wandte sich ab. Die verbleibenden Demonai-Krieger stiegen auf und ritten über die Hügelkuppe und außer Sichtweite, während Willo, Han, Dancer und Raisa allein zurückblieben.
Raisa kleidete sich jetzt für den bevorstehenden Auftritt an; sie wusste, dass der erste Eindruck der halbe Sieg sein konnte, wenn es um Politik ging.
Willo hatte einige Kleidungsstücke in verschiedenen Stapeln geordnet. Einen davon in Schwarz und Silber reichte sie Han. »Es ist nicht meine beste Arbeit, Hunts Alone, da ich nicht viel Zeit hatte«, sagte sie. »Aber ich glaube, es wird gehen.« Ihre dunklen Augen musterten ihn, als versuchte sie, seine Absicht herauszufinden.
Han nickte nur und nahm die Kleidungsstücke an sich. »Danke.« Er drehte sich um und schritt zu seinem Pferd.
Ehe Raisa sich viele Gedanken machen konnte, reichte Willo ihr eine dicke gesteppte Jacke – eine Art Wattierung für die Rüstung, die sie tragen würde. Raisa legte ihren Schattenumhang ab und zog die Jacke über ihre Clan-Gewänder.
Dancer öffnete den Brustharnisch und hielt ihn auf, sodass Raisa ihre Arme hindurchstrecken konnte. Dann verschloss er ihn und schob ihn so zurecht, dass er gerade auf ihren Schultern saß. Raisa streifte die Handschuhe über, und Dancer befestigte sie ebenfalls. Er hatte gut gearbeitet – die Sachen waren leicht und glänzten schön. Die Magie darin summte auf ihrer Haut.
Willo befestigte einen scharlachroten Umhang an Raisas Schultern, auf den in feinen, kunstvollen Stichen das Bild eines knurrenden grauen Wolfs gestickt war. »Ich hoffe, Ihr wisst, was Ihr tut«, sagte sie und sah von Raisa zu Han und Dancer. »Auf diese Weise werdet Ihr so sichtbar sein wie ein Banner.«
»Dann wird Lord Bayar wenigstens seine magischen Augengläser nicht benötigen«, stellte Raisa trocken fest. »Perfekt.« Sie fuhr mit den Fingern über die Stickerei. »Das ist wunderschön«, sagte sie leise. »Wie in aller Welt habt Ihr das …«
»Ich hatte es schon vor einer ganzen Weile für Eure irgendwann anstehende Krönung hergestellt«, erklärte Willo. Sie lächelte traurig. »Ich hatte keine Ahnung, dass ich dieses Geschenk so schnell übergeben würde.«
»Danke.« Raisa umarmte Willo, soweit das in der Rüstung noch möglich war. »Was werdet Ihr jetzt …?«
»Ich werde hierbleiben«, sagte Willo rasch, als hätte sie mit dieser
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